jurisPR-BGHZivilR 20/2010 Anm. 1

Die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten durch die Wohnungseigentümergemeinschaft und/oder den Erwerber

Anmerkung zu BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 19.08.2010 - VII ZR 113/09
Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Leitsätze
1. Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss die Ausübung gemeinschaftsbezogener Gewährleistungsrechte wegen Mängeln an der Bausubstanz an sich gezogen, ist der einzelne Wohnungseigentümer jedenfalls dann nicht gehindert, dem Veräußerer eine Frist zur Mängelbeseitigung mit Ablehnungsandrohung zu setzen, wenn die fristgebundene Aufforderung zur Mängelbeseitigung mit den Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht kollidiert.
2. Führt die Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Ausübung der gemeinschaftsbezogenen Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums an sich gezogen hat, Verhandlungen mit dem Veräußerer über die Beseitigung der Mängel, wird dadurch die Verjährung der Mängelbeseitigungsansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer gehemmt. Soweit eine gesonderte Ermächtigung nicht besteht, hemmt diese Verhandlung nicht die Verjährung der Ansprüche, die den Wohnungseigentümern nach Ablauf einer von ihnen mit Ablehnungsandrohung gesetzten Frist entstehen.
3. Ein Berufungsgericht muss grundsätzlich keinen Hinweis darauf erteilen, dass es von der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichen will, wenn die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird und die betroffene Partei deshalb von der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht überrascht wird.

A. Problemstellung
Kann der Erwerber beim Bauträgervertrag dem Veräußerer eine Frist zur Mängelbeseitigung mit Ablehnungsandrohung setzen, obwohl die Wohnungseigentümergemeinschaft die Verfolgung der Gewährleistungsansprüche in Bezug auf Mängel am Gemeinschaftseigentum an sich gezogen hat?

Hemmen Verhandlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Mängelbeseitigung die Verjährungsfrist für Ansprüche des einzelnen Wohnungseigentümers, gegebenenfalls in welchem Umfang?

Muss das Berufungsgericht in allen Fällen einen Hinweis darauf erteilen, dass es von der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichen will, oder ist das dann nicht erforderlich, wenn die Auffassung des erstinstanzlichen Urteils in der Berufung von beiden Parteien zentral in Frage gestellt und bekämpft wird?

Diese Fragen stellt und beantwortet die zu besprechende Entscheidung. Sie fügt sich ein in die bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung bzw. Ergänzung der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft einerseits und den einzelnen Erwerber andererseits. Erneut bekräftigt sie die in der Rechtsprechung schon entwickelte Befugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zum „Ansichziehen“ der Verfolgung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum durch Mehrheitsbeschluss. Sie befasst sich im Detail mit den Grenzen dieser Befugnis und der Frage, wie sich die Geltendmachung von Rechten auf die Verjährung der Ansprüche der einzelnen Erwerber auswirkt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Erwerber (Kläger) haben im Wege des Bauträgervertrages noch unter Geltung alten Rechts vom Bauträger (Beklagte) errichtete Eigentumswohnungen erworben. In den Loggien der Wohnungen traten Kondensat- und Schimmelpilzbildung auf, die auf mangelhaftem konstruktivem Aufbau der Häuser der Wohnungseigentumsanlage beruhen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat durch Mehrheitsbeschluss die Verfolgung der Rechte bezüglich der Mängel am Gemeinschaftseigentum an sich gezogen.

Während des Laufs der Verhandlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Bauträger haben die Erwerber der beklagten Bauträgergesellschaft Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt und gleichzeitig erklärt, dass die Frist unter Umständen verlängert werden könne. Nach fruchtlosem Fristablauf – so die entsprechenden Schreiben – wollen die Erwerber gegebenenfalls Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Wohnungen Wandlung, Minderung oder Schadensersatz geltend machen. Kurz nach Zugang dieser Schreiben werden die ergebnislosen Verhandlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Mängelbeseitigung mit dem Bauträger abgebrochen.

Es stellt sich die Frage, ob die Aufforderungen durch die Erwerber wirksam sind, obwohl die Wohnungseigentümergemeinschaft gleichzeitig noch auf der Basis des „Ansichziehens“ der Ansprüche über Mängelbeseitigung verhandelt. Weiterhin ist zwischen den Parteien im Streit, ob und inwieweit Verhandlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft die Verjährung der Rechte der Erwerber hemmt.

Mit ihrer Klage verlangen die Kläger vom beklagten Bauträger (großen) Schadensersatz wegen Nichterfüllung mit der Begründung, es bestünden Mängel am Gemeinschaftseigentum.

Das LG Berlin hat die Schadensersatzklage mit der Begründung abgewiesen, die Rechte der Erwerber auf großen Schadensersatz seien verjährt. Der einzelne Erwerber von Wohnungseigentum könne seine individuellen Ansprüche aus dem Vertrag mit dem Veräußerer selbstständig verfolgen. Die Verhandlungen der Verwalterin in Folge des „Ansichziehens“ der Rechtsverfolgung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft können keine Hemmung bezüglich der Rechte der Erwerber auf großen Schadensersatz bewirken, weil diese Rechte in jedem Fall beim Erwerber verbleiben.

Anders urteilt das KG Berlin: Die Berufung der Kläger hatte überwiegend Erfolg. Das Berufungsgericht hat – ohne zuvor auf die von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Auffassung hinzuweisen – die Bauträgergesellschaft zur Zahlung Zug-um-Zug verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte den Klägern zukünftigen Schaden zu ersetzen hat.

Der Anspruch der Kläger sei gem. den §§ 634, 635 BGB a.F. gerechtfertigt. Auf den als Kaufvertrag bezeichneten Vertrag sei Werkvertragsrecht anwendbar, weil es um den Erwerb sanierter Altbauten mit Herstellungsverpflichtungen ging. Es lägen die von der Beklagten zu vertretenden Mängel am Gemeinschaftseigentum vor. Mit den genannten Schreiben sei eine angemessene Frist mit Ablehnungsandrohung gem. § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. gesetzt worden. Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Die Verhandlungen mit der Wohnungseigentümergemeinschaft hätten die Verjährung nach § 203 BGB gehemmt. Unerheblich für die Hemmung der Verjährung sei, dass die Kläger selbst keine Verhandlungen mit den Beklagten geführt hätten, sondern dass dies die Wohnungseigentümergemeinschaft getan hat.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der BGH die Revision zugelassen. Mit dem besprochenen Urteil hat er dann allerdings die Revision zurückgewiesen und die Entscheidung des Berufungsgerichts im Wesentlichen mit den Begründungen akzeptiert, die aus den drei Leitsätzen hervorgehen. Offenbar ging es dem Senat darum, seine Rechtsprechung zum „Ansichziehen“ der Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft weiterzuentwickeln und zu verfeinern.

C. Kontext der Entscheidung
Im Zentrum der Entscheidung steht die Abgrenzung der Rechte von Wohnungseigentümergemeinschaft und einzelnem Erwerber. Hier hat der BGH durch seine Entscheidungen vom 12.04.2007 (VII ZR 236/05) und vom 15.01.2010 (V ZR 80/09 - BauR 2010, 774) das sogenannte „Ansichziehen“ etabliert. Danach kann die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss die Rechte der einzelnen Erwerber aus den Verträgen mit dem Veräußerer, die nicht wie der Anspruch auf Minderung und kleiner Schadensersatz ohnehin ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind, an sich ziehen mit der Folge, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Durchsetzung der Mängelbeseitigungsansprüche zuständig wird. Allerdings beschränkt sich die Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft und das „Ansichziehen“ – so der BGH – auf gemeinschaftsbezogene Ansprüche. Sie kann sich nicht beziehen auf die Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer, großen Schadensersatz zu verlangen, den Erwerbsvertrag zu wandeln oder von ihm zurückzutreten (so bereits BGH, Urt. v. 27.07.2006 - VII ZR 276/05 - BGHZ 196, 1, 11; BGH, Urt. v. 23.02.2006 -VII ZR 84/05 - BauR 2006, 979).

In der hier besprochenen Entscheidung führt der BGH aus: Auch dieses „Ansichziehen“ ändert nichts daran, dass nach wie vor auch die Erwerber die Mängelbeseitigung verlangen und die Voraussetzungen für eine von ihnen angestrebte Rückabwicklung der Erwerbsverträge schaffen können (Rn. 24 ff. des Besprechungsurteils). Die in der Literatur vertretene Auffassung, dass das „Ansichziehen“ die Befugnisse der Erwerber blockiert, vom Veräußerer die Beseitigung der Mängel zu verlangen (so Wenzel in: Bärmann, WEG, 10. Aufl., nach § 10 Rn. 39 f., Wenzel, NJW 2007, 1905, 1908; Mahler in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 634 Rn. 117), hält der BGH nicht für richtig.

In einer früheren Entscheidung hatte der BGH deutlich gemacht: Das „Ansichziehen“ kann dazu führen, dass der einzelne Erwerber sein Recht auf Verfolgung von Mängeln nur noch beschränkt ausüben kann (BGH, Urt. v. 12.04.2007 - VII ZR 236/05 - NJW 2007, 1952, 1954, rechte Spalte). Das gilt nach der neuen, hier besprochenen Entscheidung nicht, soweit die Interessenlage zwischen WEG und Erwerber nicht kontrovers ist. Solange der einzelne Erwerber durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt, kann er – das macht die hier besprochene Entscheidung deutlich – auch im Falle eines „Ansichziehens“ durch die Wohnungseigentümergemeinschaft wegen gleichgerichteter Interessenlage Mängelbeseitigungsansprüche geltend machen.

Offen bleibt, wie zu entscheiden ist, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen hat, eine Mängelbeseitigung durch den Veräußerer nicht mehr zuzulassen oder andere Maßnahmen vorsieht, die mit der Aufforderung zur Mängelbeseitigung oder dem sonstigen Begehren des Erwerbers im Widerspruch stehen (Beispiel: Der Erwerber verlangt kleinen Schadensersatz, die WEG Minderung). Im Falle eines solchen Interessenkonflikts dürfte die Aussage des BGH, dass der Erwerber gegenläufig agieren kann, nicht gelten.

Ergebnis: Der Erwerber kann ungeachtet des „Ansichziehens“ durch die Wohnungseigentümergemeinschaft seinerseits durch entsprechende Mängelaufforderungen und Fristsetzungen die Voraussetzungen für eigene Rechte schaffen, solange er sich nicht im Widerspruch zu den Aktionen der Wohnungseigentümergemeinschaft setzt.

Im vorliegenden Fall war zwischen den Parteien umstritten, ob die Fristsetzung der Vorschrift des § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. entsprach. Zweifel bestanden daran, weil die Aufforderung des Erwerbers einerseits eine mögliche Verlängerung der Frist in Aussicht gestellt hatte, andererseits aber auch alle möglichen miteinander nicht vereinbarten Rechte angekündigt worden sind.

Beides hält der BGH für unschädlich. Die Auslegung des Berufungsgerichts, eine wirksame Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung liege vor, sei revisionsrechtlich nicht in Frage zu stellen. Unter anderem sei angedroht worden, nach Fristablauf großen Schadensersatz zu verlangen. Damit werde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Mängelbeseitigung abgelehnt wird. Der Wirksamkeit der Fristsetzung stehe – so der BGH – auch nicht entgegen, dass die Kläger sich bereit erklärt haben, die Frist unter Umständen zu verlängern.

Von besonderem Interesse sind die Ausführungen des Senats zur Verjährung (Rn. 28 ff. des Besprechungsurteils): Die Verhandlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft in Bezug auf die Beseitigung der Mängel hemmen sämtliche Ansprüche, auch diejenigen des Erwerbers auf Mängelbeseitigung. Dem steht nicht entgegen, dass diese Ansprüche lediglich von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht wurden. Die Verhandlung über die Beseitigung der Mängel führt nach Auffassung des BGH auch zur Hemmung der Verjährung der den einzelnen Erwerbern zustehenden Mängelbeseitigungsansprüche.

Die Rechtslage in Bezug auf die Hemmung der Verjährung ist aber anders zu beurteilen, sobald der Erwerber mit Fristsetzungsschreiben Mangelbeseitigungsansprüche abgelehnt und den Anspruch auf großen Schadensersatz geltend gemacht hat, den die Wohnungseigentümergemeinschaft ihrerseits nicht an sich ziehen und beeinflussen kann.

Die danach von der Wohnungseigentümergemeinschaft geführten Verhandlungen wirken sich nicht mehr verjährungshemmend auf die den Klägern nach Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung erwachsenen Ansprüche auf großen Schadensersatz aus. Denn die Geltendmachung dieser ausschließlich den einzelnen Erwerbern zustehenden Rechte kann durch weiterlaufende Verhandlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht tangiert werden (so Rn. 32 des Besprechungsurteils). Die Hemmung läuft also nur so lange, als noch eine Mängelbeseitigung verlangt wird und werden kann.

Mit Ablauf der Frist im Schreiben der Kläger, mit dem die Mängelbeseitigung abgelehnt und großer Schadensersatz geltend gemacht wird, endet die Hemmungswirkung der Verhandlungen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft. Nunmehr läuft eine eigene Verjährungsfrist für den dann geltend gemachten großen Schadensersatzanspruch der Erwerber, wobei die Verjährungsfrist für die Ansprüche des Erwerbers auf großen Schadensersatz nicht mehr durch Aktivität der Wohnungseigentümergemeinschaft gehemmt werden kann.

D. Auswirkungen für die Praxis
Die fein abgestufte Abgrenzung von Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft einerseits und der Erwerber andererseits muss bei Geltendmachung von Mängeln genau beachtet werden. Grundsatz: Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann durch Mehrheitsbeschluss die Verfolgung der Mängel am Gemeinschaftseigentum an sich ziehen. Gleichzeitig kann der Erwerber bei gleichgerichteter Interessenlage entsprechende Maßnahmen verlangen. Sobald der Erwerber die Voraussetzungen für die Ansprüche geschaffen hat, die die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht an sich ziehen kann und die er selber geltend machen muss (großer Schadensersatz, Wandlung, Rücktritt) haben etwa weiterlaufende Verhandlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft über Mängelbeseitigung keine verjährungshemmende Wirkung mehr für die dann verfolgten individuellen Rechte des Erwerbers. Der Erwerber und sein Anwalt müssen also ihre Aktivitäten sorgfältig mit denjenigen der WEG abstimmen (einen umfassenden Überblick über die Probleme der gemeinschaftlichen Durchsetzung der Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum gibt Kniffka, Rechtshandbuch des ganzheitlichen Baurechts, Festschrift für Ganten, 2007, S. 125 ff.).

Möglich bleibt, dass der einzelne Erwerber die Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigt oder bevollmächtigt, solche Rechte für ihn geltend zu machen (gegebenenfalls auch Beseitigung von Mängeln im Sondereigentum), die durch Mehrheitsbeschluss nicht auf die Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen werden können. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft in gewillkürter Prozessstandschaft Recht der einzelnen Erwerber geltend macht (Wenzel, NJW 2007, 1905, 1909, dort auch zur Abgrenzung von „geborener“ und „gekorener“ Zuständigkeit der WEG). Ohne eine solche Ermächtigung oder Bevollmächtigung ist aber die Wohnungseigentümergemeinschaft für solche Rechte, die ausschließlich der Erwerber geltend machen kann (großer Schadensersatz, Wandlung, Rücktritt) nicht aus eigenem Recht zuständig. Diese Rechte kann sie auch nicht an sich ziehen.

Offen ist die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft nur die Verfolgung der Rechte aus Mängeln am Gemeinschaftseigentum an sich ziehen kann oder auch die Abnahme des Gemeinschaftseigentums (kontrovers diskutiert auf dem Baugerichtstag 2010 in Hamm, vgl. BauR 2010, 1405). Ein praktisches Bedürfnis dürfte dafür sprechen, der Gemeinschaft auch die Befugnis zuzuerkennen, nach einem entsprechenden Mehrheitsbeschluss die Abnahme des Gemeinschaftseigentums an sich zu ziehen. § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG statuiert die Befugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft, gemeinschaftsbezogene Pflichten und Rechte (nicht nur Ansprüche) der Wohnungseigentümer geltend zu machen. Daraus wird man auch den Schluss ziehen können, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Abnahme des Gemeinschaftseigentums als Voraussetzung der Verfolgung entsprechender Rechte an sich ziehen und damit eine einheitliche Verjährungsfrist auslösen kann.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der BGH betont, dass eine Partei darauf vertrauen darf, dass ein Berufungsgericht keine Überraschungsentscheidungen trifft, also nicht ohne vorherigen Hinweis zu Lasten der in erster Instanz siegreichen Partei vom Ergebnis des erstinstanzlichen Gerichts abweicht. Es muss – wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will – grundsätzlich nach § 139 ZPO darauf hinweisen, dass es die Sach- und Rechtslage anders beurteilt als die erste Instanz (BGH, Beschl. v. 15.03.2006 - IV ZR 32/05 - NJW-RR 2006, 937; BGH, Urt. v. 16.05.2002 - VII ZR 197/01 - BauR 2002, 1298; BGH, Urt. v. 27.04.1994 - XII ZR 16/93 - WM 1994, 1823, 1824).

Allerdings schränkt der BGH das in der hier besprochenen Entscheidung ein: Ein solcher Hinweis ist nicht notwendig, wenn eine Partei in erster Instanz obsiegt und die dann zugrundeliegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts ohnehin zentraler Streitpunkt im Berufungsverfahren zwischen den Parteien wird. Wenn eine in erster Instanz erfolgreiche Partei von vornherein in Folge des wechselseitigen Vortrags in der Berufung damit rechnen muss, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist und seine dementsprechende Entscheidung im Grundsatz daher nicht überraschend sein kann, besteht kein Aufklärungsbedarf und damit auch keine Verletzung der Hinweispflicht (Rn. 16 des Besprechungsurteils).