BauR 2008, Seite 1231

Fördert der Richter die Schwarzgeldabrede?

Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof
 

Diese Frage hat einer der beiden Prozessbevollmächtigten im Rahmen eines Prozesses am 24.4.2008 beim Bundesgerichtshof gestellt. Um die Antwort vorweg zu nehmen: keineswegs. Das überlässt er dem Gesetzgeber.

In zwei Entscheidungen vom 24.4.2008 hat der Bundesgerichtshof - der tunlich den Terminus der „Schwarzgeldabrede” vermeidet - in von ihm so bezeichneten „Ohne-Rechnung-Abrede-Verträgen” Gewährleistungsansprüche des Bauherrn für möglich gehalten.

In einem Fall (- VII ZR 140/07 -) hatte ein Vermessungsingenieur auf Grund einer solchen Abrede Vermessungsarbeiten für ein dann errichtetes Bauwerk eines Bauherrn durchgeführt. Die Vermessung war falsch. Dadurch entstand ein Schaden. Die Tatsacheninstanzen hatten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche des Bauherrn unter Hinweis auf die Nichtigkeit des Vertrags [1] zurückgewiesen.

Im zweiten Fall (- VII ZR 42/07 -) hat der VII. Senat konstatiert: Ein Unternehmer, der die Bauleistung erbracht hat, verstößt gegen Treu und Glauben, wenn er sich zur Abwehr von Mängelansprüchen des Bestellers nach Fertigstellung der Bauleistung auf die Nichtigkeit des Bauvertrags wegen einer „Ohne-Rechnung-Abrede” beruft.

Schwarzgeldabreden sind - auch wenn der Bundesgerichtshof sie nicht so bezeichnen mag - unverändert in der täglichen Baupraxis an der Tagesordnung. Der Gesetzgeber hat verschiedentlich versucht, dem durch entsprechende Regelungen entgegenzuwirken, zum Beispiel durch das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung [2]. Mitteilungsverpflichtungen und Prüfungsermächtigungen sollen Schwarzarbeit verhindern. In anderen Vorschriften hat der Gesetzgeber allerdings bürokratische Hürden aufgebaut, die dem erklärten Ziel dieses Gesetzes zuwiderlaufen und eher geeignet sind, Schwarzgeldabreden zu fördern als zu verhindern.

Das Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigungen im Baugewerbe (v. 30.8.2001, BGBl I 2001, S. 2267) macht den Bauherrn zum Büttel des Finanzamts. Wenn keine Freistellungsbescheinigung des Unternehmers vorliegt, muss er die von diesem geschuldete Umsatzsteuer (mit ganz wenigen Ausnahmen) direkt ans Finanzamt abführen. Für die Einhaltung der Vorschriften der Baustellenverordnung (BGBl 1 1998, S.1283) und des Arbeitsschutzgesetzes (BGBl I 1996, S.1246, i. d. F. v. 8.4.2008, BGBl I, S.706) ist der Bauherr mit verantwortlich. Deren komplizierte Regelungen machen die Durchführung von Baumaßnahmen für Mittelständler bei gleichzeitiger Tätigkeit einer gewissen Zahl von Handwerkern höchst kompliziert [3]. Solche bürokratischen Hemmnisse mit ungeheurem Verwaltungsaufwand - deren Abbau eigentlich erklärtes Ziel der (Rechts-)Politik ist - verhindern nicht etwa Schwarzgeldabreden, sondern fördern sie.

Die neuen Entscheidungen des VII. Senats vom 24.4.2008 tun das - entgegen der Befürchtung eines der Prozessbevollmächtigten im Verfahren - aber nicht. Sie sind richtig. Denn sie verhindern, dass der Unternehmer, der sich zum eigenen Vorteil auf eine Schwarzgeldabrede einlässt, noch dadurch belohnt wird, dass er der Gewährleistung entkommt.

Der Auftragnehmer ist derjenige, der in erster Linie einen - rechtswidrigen - Vorteil der Schwarzgeldabrede hat (ggf. Umsatzsteuer-, Einkommenssteuerhinterziehung), auch wenn der Auftraggeber ihn dabei unterstützen mag. Richtig erkennt deshalb der VII. Senat, dass der Unternehmer näher dran ist, nicht nur die Vorteile, sondern auch die Nachteile einer solchen Abrede mitzutragen. Deshalb treffen die Schwarzgeld-Entscheidungen des VII. Senats ins Schwarze: Der Unternehmer kann sich grundsätzlich nicht mehr Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen mit Hinweis auf die Schwarzgeldabrede entziehen. Entgegen der Darstellung in der Presse bieten die Entscheidungen allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie sich nur auf die Tätigkeit von Fachunternehmen beziehen. Sie gelten für alle Bauwerkverträge.

Häufig - so auch in einem der beiden vom Bundesgerichtshof am 24.4.2008 entschiedenen Fälle - kommen Auftragnehmer erst dann auf die Idee, sich auf Schwarzgeldabreden zu berufen, wenn sie im Rahmen eines Verfahrens mit der Geltendmachung von Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüchen durch den Bauherrn unter Druck geraten. In einem der beiden vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle hat sich der Unternehmer an diesen Einwand und dafür mögliche Zeugen erst bemerkenswert spät im Prozess in den Tatsacheninstanzen erinnert, nämlich dann, als sich herausstellte, dass er grobe Fehler - mit entsprechenden Schadensfolgen - zu verantworten hatte. Deshalb überzeugt die neue Rechtsprechung, die dem Unternehmer Auswege unter Berufung auf § 242 BGB versperrt.

Auch die Begründung des Senats ist einleuchtend: Schon nach der bisherigen Rechtsprechung konnte nicht immer davon ausgegangen werden, dass eine der Steuerhinterziehung dienende „Ohne-Abrechnungs-Abrede” zur Nichtigkeit des Gesamtvertrags nach § 134, 138 BGB führt. Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen regelmäßig § 139 BGB angewendet und die Frage gestellt, ob der nichtige Teil der Schwarzgeldabrede den gesamten Bauvertrag erfasst oder nicht. Dann muss geklärt werden, ob anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne die Absprache geschlossen worden wäre. Während allerdings der Bundesgerichtshof früher davon ausgegangen ist, dass es darauf ankommt, ob die Schwarzgeldabrede Hauptzweck des Vertrages war [4], betont der Senat jetzt: Es kommt darauf an, ob der Vertrag ohne die Absprache mit dem gleichen Inhalt (also insbesondere der gleichen Vergütung) abgeschlossen worden wäre. Diese Prüfung wird allerdings regelmäßig zu einem anderen Ergebnis führen, als der früheren Rechtsprechung zu entnehmen war: Man wird davon ausgehen müssen, dass die Parteien ohne die Schwarzgeldabrede i.d.R. eine andere Vergütung vereinbart hätten. Deshalb bleibt es auch in Anwendung des § 139 BGB regelmäßig bei der Nichtigkeit des Vertrags nach §§ 134, 138 BGB.

Deutlich erweitert der Senat aber den Anwendungsbereich des § 242 BGB gegenüber dem nichtigen Vertrag (§§ 134, 138 BGB). Denn der Unternehmer erbringt die von ihm geschuldeten Bauleistungen, seien sie Baumaßnahmen oder Planungsleistungen, am Grundstück des Bestellers. Eine Rückabwicklung des Vertrages ist nach Vollendung des Baus nicht mehr möglich. Der Unternehmer müsste bei einer solchen Rückabwicklung in fremdes Eigentum eingreifen. In der Regel geht das überhaupt nicht. Deswegen führt diese Belastungssituation zu einem besonderen Interesse des Bestellers an vertraglichen, auf die Beseitigung des Mangels gerichteten Gewährleistungsansprüchen. Das kann und muss der Unternehmer von vornherein erkennen. Deshalb verhält er sich treuwidrig, wenn er sich gegenüber dem in der dargestellten Weise belasteten Besteller infolge der Teilnichtigkeit des Bauvertrags infolge der Schwarzgeldabrede in Anwendung des § 139 BGB auf eine Gesamtnichtigkeit beruft.

Im Ergebnis gilt also nach der neuesten Rechtsprechung: Jedenfalls bei Verwirklichung eines Bauvorhabens wird i.d.R. davon auszugehen sein, dass die Berufung auf die Schwarzgeldabrede und daraus möglicherweise folgende Nichtigkeit des Vertrags nach § 134 BGB durch die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen ist.

Ob es deswegen mehr oder weniger Ohne-Rechnung-Abreden geben wird, lässt sich nicht sagen. Keinesfalls fördert diese Entscheidung (im Gegensatz zu den bürokratischen Hürden die der Gesetzgeber für Baumaßnahmen aufgebaut hat) aber die Flucht in die Schwarzarbeit. Denn der Unternehmer kann sich jetzt nicht mehr zu seinem eigenen Vorteil unter Berufung auf die Nichtigkeit des Bauvertrags der Gewährleistungspflicht entziehen, wenn das Bauvorhaben vollendet ist. Das ist zweifellos ein richtig begründetes, richtiges Ergebnis.

[1] §§ 134, 138 BGB.
[2] SchwarzArbG v. 23.7.2004, in Kraft seit 1.8.2004.
[3] SiGeKo: Notwendigkeit eines Sicherheits- und Gesundheitskoordinators auf der Baustelle, SiGe-Plan: Auf der Baustelle bereit zuhaltender Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan in Bezug auf Arbeitsschutzbestimmungen, Vorankündigungspflicht gegenüberder Behörde etc.
[4] I.d.R. nein, so Urteil v. 21.12.2000 – VII ZR 129/98 -, BauR 2001, 630.