ZAP Kolumne 2008, Seite 411

ZAP Kolumne

Verfassungsmäßigkeit der Singularzulassung beim Bundesgerichtshof
Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof
 

Bekanntlich können sich vor dem Bundesgerichtshof die Beteiligten in zivilrechtlichen Verfahren nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, der beim Bundesgerichtshof zugelassen ist. Die Zulassung erfolgt durch das Bundesjustizministerium auf Vorschlag eines Wahlausschusses, der unter dem Vorsitz des Präsidenten des Bundesgerichtshofs tagt. Er setzt sich zusammen aus Vorsitzenden von Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs und aus Anwälten aus dem Vorstand der Bundesrechtsanwaltskammer und der Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof.

Ein Bewerber, der im letzten Wahlverfahren im Jahre 2006 den Sprung auf die Liste des Wahlausschusses nicht geschafft hatte und mit seinem Antrag auf Feststellung eines Anspruchs auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof beim Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs gescheitert war (NJW 2007, 1136), hatte gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das BVerfG hatte die Verfassungsmässigkeit des Wahlverfahrens bereits durch Beschluss vom 31.10. 2002 – BvR 819/02 (JZ 2003,252) bestätigt (vgl. auch Nirk NJW 2007,3185)

An dieser Beurteilung hält es jetzt fest. Die neue Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1295/07) wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Dreierausschuss der 2. Kammer des I. Senats hat die Nichtannahme in einem einstimmigen Beschluss vom 27.02.2008 (1 BvR 1295/07) ausführlich begründet. Das Bundesverfassungsgericht stellt dabei fest: Das Auswahlverfahren für die Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof stellt eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung dar. Wichtige Gemeinwohlbelange rechtfertigen und erfordern dieses Verfahren. Es ist mit Blick auf die Verfassung auch nicht zu beanstanden, dass die Zulassung bedürfnisorientiert mit einer entsprechenden zahlenmäßigen Beschränkung von Bewerbern erfolgt.

Das Bundesverfassungsgericht hält die Zulassungsbeschränkung des § 168 Abs. 2 BRAO auch für ausreichend bestimmt. Die Sicherung und Förderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen, der das Auswahlverfahren dient, sei als Gemeinwohlbelang von besonderem Gewicht einzustufen, ebenso wie die Filterfunktion der BGH-Anwälte, die es verhindert, dass die Zivilsenate des BGH mit nicht statthaften und / oder aussichtslosen Verfahren überschwemmt werden. Ausdrücklich betont das Gericht, dass die Einführung einer besonderen Fachanwaltschaft für Revisionsrecht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine in gleicher Weise geeignete Alternative zum derzeitigen Verfahren darstellt.

Mit dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidung wird man die Angriffe gegen die Verfassungsmäßigkeit des Auswahlverfahrens nach § 164 ff. BRAO endgültig als erledigt ansehen müssen. Darüber hinaus hat die Entscheidung aber auch für zukünftige Überlegungen zur Situation der BGH-Anwaltschaft Bedeutung. Die Bundesjustizministerin hatte auf dem letzten Anwaltstag angedeutet, man werde das Institut der Singularzulassung ergebnisoffen noch einer Überprüfung zu unterziehen haben.

Für eine solche Überprüfung gibt die verfassungsgerichtliche Entscheidung wichtige Hinweise. Das Regelungsziel der Förderung und Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Bundesgerichtshofs, der in Zivilsachen eine für die Rechtsentwicklung führende Rolle inne hat, machen die entsprechende Zulassungskontingentierung der Anwaltschaft erforderlich. Zwar existiert - anders als beim Bundesgerichtshof in Zivilsachen - bei den anderen Obersten Bundesgerichten keine nur dort vertretungsberechtigte Anwaltschaft. Ein Kommissionsbericht, den das Bundesjustizministerium 1998 eingesetzt hatte, kam seinerzeit zu dem Ergebnis, dass an sich eine entsprechende Kontingentierung auch bei den übrigen Obersten Bundesgerichten wünschenswert sei, jedoch letztlich nur daran scheitern würde, dass anders als beim Bundesgerichtshof, eine spezielle Anwaltschaft dort keine ausreichende wirtschaftliche Existenzgrundlage finden würde. (Büttner, Dokumentation DAV-Forum „Justizreform-Zivilprozess 2000, 98; Gross, AnwBl. 2001,20,21 FN 7,12)

Im Übrigen haben sich kürzlich nach einer Umfrage ca. 2/3 der deutschen Anwälte für die Beibehaltung der BGH-Anwaltschaft ausgesprochen (Hommerich/Kilian NJW 2007, 2308)

Die unverändert gültigen Erkenntnisse des Kommissionsberichts, der die Stellungnahmen der Vertreter der Obersten Bundesgerichte ausgewertet hat, die Erkenntnisse des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 27.02.2008 und das Votum der Anwaltsschaft bestätigen: Die Singularzulassung der Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof ist durch wesentliche Belange des Gemeinwohls nicht nur gerechtfertigt, sondern unverändert notwendig und auch in Zukunft unverzichtbar. (vgl. hierzu auch Egon Schneider ZAP 2007, 1187/1188)

Dr. Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof