jurisPR-BGHZivilR 17/2016 Anm. 2

Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten der Richtigkeit einer Schlussrechnung
BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 25.08.2016 - VII ZR 193/13
von Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, RA BGH

Leitsatz
Das Gericht muss, wenn bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag der Auftragnehmer prüfbar abgerechnet hat, in die Sachprüfung eintreten, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Werklohnforderung berechtigt ist. Hat der Auftraggeber die Richtigkeit der Schlussrechnung substantiiert bestritten, ist hierüber Beweis zu erheben (Anschluss an BGH, Versäumnisurt. v. 13.07.2006 - VII ZR 68/05 - BauR 2006, 1753 = NZBau 2006, 637).

A. Problemstellung
Welche Anforderungen sind an ein substantiiertes Bestreiten der Richtigkeit einer Schlussrechnung zu stellen? Muss der Bauherr gegenüber der Schlussrechnung des Unternehmers eine vollständige Gegenrechnung aufmachen? Was ist nötig, um in die Schlussrechnungsprüfung, ggf. durch Sachverständigengutachten, einzutreten?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Unternehmers. Dieser hat Werklohnarbeiten für die Beklagte mit einem Generalunternehmervertrag unter Zugrundelegung der Vorschriften der VOB/B 2002 erbracht. Im GU-Vertrag ist unter anderem geregelt:

„Sofern sich während der Bauzeit die Höhe der gesetzlichen MwSt. ändert, erstellt der AN für die bis zum Zeitpunkt der MwSt.-Änderung erbrachten und berechenbaren Teilleistungen eine Abrechnung entsprechend den steuerlichen Vorschriften. Für die nach diesem Zeitpunkt noch zu erbringenden Teilleistungen erfolgt die Berechnung der MwSt. mit den dann geltenden Sätzen…“

Die Schuldnerin erbrachte die Leistungen und stellte dann Insolvenzantrag. Daraufhin kündigte der Bauherr (Beklagter) den GU-Vertrag mit sofortiger Wirkung. Danach wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger legte Schlussrechnung und machte daraus eine restliche Forderung geltend.

Das Landgericht hat unter Abweisung eines Teils der geltend gemachten Zinsen der Klageforderung stattgegeben. Die Berufung des beklagten Bauherrn ist erfolglos geblieben. Der Beklagte verfolgt mit der vom BGH zugelassenen Revision seinen Klageabweisungsanspruch weiter.

Das Berufungsgericht hält die Schlussrechnungsforderung für inhaltlich schlüssig dargetan. Die Aufmaße seien vom Beklagten nicht substantiiert bestritten worden. Der Beklagte habe klargestellt, dass allein Streit im Hinblick auf überhöhte Einheitspreise bestehe. Damit – so das Berufungsgericht – wende sich der Beklagte gegen die inhaltliche Richtigkeit der Kalkulation. Dieser hat zur Begründung seiner Auffassung von der Unrichtigkeit der Schlussrechnung verschiedene Angebote einzelner Firmen zu unterschiedlichen – jedoch nicht allen – Gewerken vorgelegt.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts reicht dieser Vortrag nicht aus, um die sachliche Richtigkeit der klägerischen Kalkulation in Frage zu stellen. Der Beklagte habe nicht nur einzelne Gewerke, sondern sämtliche Gewerke mit entsprechenden Darlegungen gegenrechnen müssen. Vor diesem Hintergrund komme ein Abzug von der Schlussrechnung nicht in Betracht. Der Beklagte habe zwischen Fertigstellungsarbeiten einerseits und Mängelbeseitigungskosten andererseits differenziert unterscheiden müssen.

Was die MwSt. angeht, meint das Berufungsgericht: Insgesamt sei ein Umsatzsteuersatz von 19% zugrunde zu legen und nicht nur ein solcher von 16%. Der Schuldner habe vor dem Stichtag des 01.01.2007, zu dem sich der MwSt.-Satz geändert habe, keine Teilleistungen im umsatzsteuerlichen Sinne ausgeführt.

Der VII. Zivilsenat hebt das Urteil auf. Mit der gegebenen Begründung könne der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht uneingeschränkt zuerkannt werden.

Der Senat wiederholt in der Entscheidung seine schon früher vertretene Auffassung: Der von der Schuldnerin gestellte Insolvenzantrag gem. § 8 Nr. 2 VOB/B 2002 bietet einen außerordentlichen Grund zur Kündigung des GU-Vertrages. Diese Auffassung hat der Senat bereits in seinem bahnbrechenden Urteil zur Wirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln vom 07.04.2016 (VII ZR 56/15 - BauR 2016, 1306) klargestellt. Denn ein Eigeninsolvenzantrag ist ein Tatbestand, der zur außerordentlichen Kündigung des Vertragspartners berechtigt. Durch den eigenen Insolvenzantrag zerstört der Auftragnehmer in der Regel das für die Fortführung des Bauvertrags erforderliche Vertrauensverhältnis. Die Kündigung des Auftraggebers erfolgt in diesem Fall daher aus wichtigem Grund (vgl. auch Reinelt, BauR 8/2016, S. 1: „Insolvenzabhängige Lösungsklauseln im Baurecht“).

Allerdings: Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Richtigkeit der zur Abrechnungsgrundlage gemachten Kalkulation nicht hinreichend bestritten, teilt der VII. Senat nicht. Wenn bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag der Auftragnehmer prüfbar abgerechnet hat, muss in die Sachprüfung eingetreten werden, ob und in welcher Höhe der geltend gemachte Werklohnanspruch berechtigt ist. Bei substantiiertem Bestreiten muss hierüber Beweis erhoben werden. Diesen Grundsatz hat der Senat auch zuvor schon in ständiger Rechtsprechung festgehalten (BGH, Versäumnisurt. v. 13.07.2006 - VII ZR 68/05 - BauR 2006, 1753 = NZBau 2006, 637). Auch in der vorliegenden Entscheidung stellt der Senat klar: Für ein wirksames Bestreiten durch den Bauherren ist es nicht notwendig, dass der Auftraggeber gegenüber der erstellten Schlussrechnung eine vollständige Gegenrechnung vornimmt. Die Vorlage verschiedener Angebote einzelner Handwerksunternehmer, aus denen sich ergibt, die Einheitspreise für einzeln erbrachte Leistungen seien überhöht, reicht aus. Damit ist ein substantiiertes Bestreiten erfolgt mit dem Ergebnis, dass über die vom Kläger geltend gemachte Forderung (durch Sachverständigengutachten) Beweis zu erheben ist.

Schließlich befasst sich der Senat noch mit der vom Berufungsgericht behandelten MwSt.-Frage: Unabhängig davon, ob eine Teilleistungsvereinbarung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 UStG vorliegt, kann sich ein solcher Anspruch auf Abrechnung erbrachter Teilleistungen aus den vertraglichen Vereinbarungen ergeben. Im vorliegenden Fall haben die Parteien vereinbart, dass die bis zu einer Umsatzsteuererhöhung erbrachten Leistungen gesondert abzurechnen sind und lediglich die nach dem Stichtag erbrachten Leistungen der geänderten Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Das hat das Berufungsgericht im Einzelnen nicht geprüft.

C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung macht deutlich: Es bleibt nach wie vor bei der Darlegungs- und Beweislast des Auftragnehmers für die Richtigkeit der von ihm erstellten Schlussrechnung. Ständiger Rechtsprechung des BGH zufolge dürfen Anforderungen an die Darlegung grundsätzlich nicht überspannt oder unzumutbar erschwert werden (vgl. statt vieler BGH, Beschl. v. 21.11.2011 - NotZ (Brfg) 6/11 - NJW-RR 2012, 121; BGH, Urt. v. 06.12.2012 - III ZR 66/12 - NJW-RR 2013, 296). Deshalb kann man die Anforderungen an die Einwendungen gegenüber einer Schlussrechnung auch nicht überspannen.

Die Richtigkeit der Schlussrechnung bleibt der Auftragnehmer in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Sobald ein Bestreiten erfolgt, muss in die Sachprüfung eingetreten und ggf. ein Sachverständigengutachten erholt werden.

D. Auswirkungen für die Praxis
Mit Segelhinweisen für das Berufungsverfahren macht der Senat deutlich: Eine genaue Darlegung zum Umfang von Mängelbeseitigungskosten einerseits und Fertigstellungsmehrkosten andererseits ist nur geboten, wenn lediglich die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B (2002) vorliegen. Dann ist es unerlässlich, die Fertigstellungsmehrkosten auf der einen Seite und die Mängelbeseitigungskosten auf der anderen Seite deutlich aufzuschlüsseln und voneinander abzugrenzen.

Beim bloßen Bestreiten der Richtigkeit der Schlussrechnung genügen aber einzelne Einwendungen, um die Schlussrechnung insgesamt auf den Prüfstand zu stellen.

Was einen Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (2002) angeht, gilt folgendes: Hier müssen die Voraussetzungen der Umwandlung eines Nachbesserungs- in einen Kostenvorschuss- oder Schadensersatzanspruch vorliegen. Der Bauherr hat dann ggf. die entstehenden Mängelbeseitigungskosten genau zu beziffern.

Die Entscheidung vom 30.03.2006 (VII ZR 163/05 - BauR 2006, 1755) belegt: Bevor in einem solchen Fall Mehrkosten als unzureichend dargelegt behandelt werden dürfen, muss der Kläger gemäß § 139 ZPO darauf hingewiesen werden, dass er Fremdnachbesserungskosten und bei der Vollendung des Werks etwa entstehende Mängelbeseitigungskosten nicht in einem einheitlichen Betrag geltend machen kann. Er hat sie vielmehr in einem solchen Fall aufzuschlüsseln.