BauR 1/2016, Seite 1

Zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts

von Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Karlsruhe

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat beim Baurechtstreff 2015 am 09.10.2015 in Frankfurt seinen Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung vorgestellt.

Angestoßen hatte die Idee zu einer Regelung des Bauvertragsrechts die Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht beim Bundesministerium der Justiz, die auf Initiative von Rolf Kniffka, früher Vorsitzender des 7. Zivilsenats des BGH und Gründer des Baugerichtstags, ins Leben gerufen worden ist.

Diese Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht wurde im Jahr 2010 beim Bundesjustizministerium eingerichtet mit dem Auftrag zur Prüfung, ob und inwieweit ein eigenständiges Bauvertragsrecht zur Lösung der bestehenden Probleme im Bereich des Bau- und Werkvertragsrechts geeignet ist. Grundsätzlich ist es ein ebenso seltener wie erfreulicher Vorgang, dass ein Gesetzesentwurf nicht sozusagen von oben herab dekretiert, sondern in Kooperation mit Fachleuten, Verbänden und Ministerien konzipiert und auf den Weg gebracht wird. Auf diese Weise fließt von Anfang an die Kompetenz der Fachleute in bereichernder Weise ein.

Mit der begrüßenswerten Initiative will man der Rechtsunsicherheit begegnen, die bisher beim Bauvertragsrecht wegen der insoweit unzulänglichen Regelungen des Werkvertragsrechts die Gerichte dazu gezwungen haben, ein spezielles und ausgefeiltes Richterrecht für den Bauvertrag zu entwickeln. Richterrecht ist, wie Rolf Kniffka in seinem Vortrag beim Baurechtstreff in Frankfurt/Main am 09.10.2015 zur Bedeutung des Bundesgerichtshofs für die Entwicklung des Baurechts ausgeführt hat, ein schwaches Recht, und zwar deshalb weil es nicht auf der Grundlage eines Gesetzgebungsverfahrens entwickelt wird und weil es nicht beständig ist. Richterrecht ist einem unvorhersehbaren Wandel unterworfen. Auf den Fortbestand der Rechtsprechung kann man nur in ganz engen Grenzen vertrauen. Die dogmatischen Grundlagen eines solchen Vertrauensschutzes, wie sie etwa der 7. Senat des BGH im Zusammenhang mit der geltungserhaltenden Reduktion der Bürgschaft auf erste Anforderung – möglich nur bis zum 01.01.20031 – entwickelt hat, haben bisher noch keine klaren Konturen. Gesetzgebung oder Rechtsprechung müssten sie dringend unter Berücksichtigung von Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung erarbeiten.

Dass das Justizministerium aber auf Initiative der Arbeitsgruppe eine gesetzliche Regelung des Bauvertragsrechts zu entwickeln bestrebt ist, kann nur begrüßt werden.
Allerdings wird es eine umfangreiche Diskussion zu dem vorgelegten Referentenentwurf geben müssen.

Hier kann ich nur drei Punkte ansprechen:

Zuerst: In § 640 BGB soll die von der Rechtsprechung schon entwickelte fiktive Abnahme neu geregelt werden. Die Abnahme wird nach dem Vorschlag des Entwurfs fingiert, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Vollendung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe von Mängeln verweigert hat. Das bedeutet also: Verlangt der Unternehmer die Abnahme mit Fristsetzung und rügt der Besteller nicht spezifische Mängel, tritt die fiktive Abnahme ein. Die Begrenzung des Ausschlusses der fiktiven Abnahme nur im Zusammenhang mit Mängelrügen ist zu kurz gegriffen. In der Praxis entstehen Streitigkeiten oft nicht nur auf Grund von Mängeln, sondern gerade auch über die Frage von Fertigstellungsleistungen. So debattieren etwa Bauherr und Unternehmer darüber, ob eine bestimmte Leistung im Außenbereich noch zum Vertragsumfang des Unternehmers gehört und sich daher als Fertigstellungs- oder Zusatzleistung darstellt. Verweigert nun der Besteller mit Rücksicht auf die seiner Auffassung nach ausstehende Fertigstellung die Abnahme, entsteht Streit über die Frage, ob sie zu fingieren ist oder nicht. Zwar sollte fiktive Abnahme beim Abnahmeverlangen des Unternehmers nur einsetzen „nach Vollendung des Werks“, aber gerade über diese Frage wird Streit entbrennen und sie wird auch nicht dadurch gelöst, dass der Gesetzgeber die Vollendung des Werks einfach in der Vorschrift voraussetzt. Diese deklaratorische Statuierung verhindert den Streit zwischen den Parteien über die Frage der tatsächlichen Fertigstellung nicht. Aus meiner Sicht müssen die Regeln deshalb deutlich klarer gefasst werden. Die „Vollendung des Werks“ als Voraussetzung des Abnahmeverlangens (die in der Praxis tatsächlich häufig im Streit sein wird) sollte gestrichen werden. Stattdessen bedarf die Regelung einer Ergänzung: Die fiktive Abnahme nach Abnahmeverlangen des Unternehmers mit Fristsetzung muss auch dann begrenzt werden, wenn der Besteller mit Rücksicht auf nach seiner Auffassung noch ausstehende Fertigstellungsleistungen die Abnahme verweigert, also nicht nur bei Verweigerung „unter Angabe von Mängeln“.

Ein zweiter Punkt: Neu entwickelt der Entwurf ein Sonderkündigungsrecht der Parteien beim Architektenvertrag am Ende der sogenannten „Zielfindungsphase“. Der Besteller kann danach kündigen, nachdem der Architekt oder Ingenieur ihm eine Planungsgrundlage nebst Kostenschätzung zur Zustimmung vorgelegt hat. Architekt oder Ingenieur können wiederum die Kündigung aussprechen, wenn der Besteller die Zustimmung zu der vorgelegten Planungsgrundlage verweigert oder dazu innerhalb einer angemessenen Frist keine Erklärung abgibt (§ 650q des Entwurfs).

Wie der neueingeführte Begriff der Zielfindungsphase genau zu definieren ist, bedarf noch der Klärung. Vermutlich wird dies wieder der Rechtsprechung überlassen.

In seiner Begründung zu der entsprechenden Ergänzung führt der Entwurf aus: Mit der Regelung soll gleichzeitig einer in der Praxis vielfach zu weitgehenden Ausdehnung der unentgeltlichen Akquise zu Lasten des Architekten entgegengewirkt werden. Der Gedanke ist im Prinzip richtig: Zu unbesehen wird in der Rechtsprechung häufig das Zustandekommen eines Architektenvertrags verneint und eine unentgeltliche Akquisephase zu Lasten des Architekten behauptet. Der ehemalige Vorsitzende eines Bausenats beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Karl-Heinz Keldungs, hat die von ihm seinerzeit in einem Ausnahmefall entwickelte kostenfreie Akquisitionsphase, die in der Praxis viel zu weit ausgedehnt wird, gelegentlich als fehlerhafte Erfindung gewertet. Sie bedarf dringend der Restriktion. Befindet man sich allerdings in der Akquisitionsphase, bedarf es natürlich keiner (Sonder-) Kündigung. Diese ist vielmehr nur notwendig, wenn ein Architektenvertrag tatsächlich schon abgeschlossen wurde.

Die vorgesehene Kündigungsfrist für den Besteller (zwei Wochen nach Vorlage der Unterlagen) soll jedoch für einen Verbraucher nur laufen, wenn der Architekt/Ingenieur ihn bei Vorlage der Unterlagen in Textform über das Kündigungsrecht und die Frist unterrichtet hat. Das wird nach allen bisherigen Erfahrungen in der Praxis sicherlich von vielen Architekten und Ingenieuren versäumt oder unvollständig vorgenommen werden. Dann bleibt das Sonderkündigungsrecht unbegrenzt bestehen und Architekt oder Ingenieur müssen während der gesamten weiteren Leistungen jederzeit mit einer Sonderkündigung rechnen. Die Entwurfsverfasser haben das hierin liegende Problem gesehen, sind jedoch der Auffassung, man müsse durch diese scharfe Rechtsfolge eben sicherstellen, dass die Belehrungspflicht von Seiten des Unternehmers ernst genommen wird. Ob es wirklich sachgerecht ist, den Architektenvertrag auf unabsehbare Dauer in solchen Fällen unter dem Damoklesschwert einer jederzeit möglichen Sonderkündigung zu belassen, kann bezweifelt werden.

Vielleicht sollte das Sonderkündigungsrecht in jedem Fall mit Baubeginn entfallen.

Ein dritter Punkt: Dass der Entwurf das Adjudikationsverfahrens – vorgeschlagen von der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht – nicht aufgreift, ist aus der Sicht der Praxis bedauerlich. Die Erfahrungen in der Praxis zeigen: Baubegleitende Entscheidungen sind für den reibungslosen Ablauf des Bauvorhabens nützlich. Eine vorläufige Regelung, wie sie das Adjudikationsverfahren bietet, kann in der Praxis äußerst hilfreich sein. Auch bei dem von mir im Jahr 1997 gegründeten Ständigen Münchener Bauschiedsgericht war deshalb eine baubegleitende schiedsrichterliche Tätigkeit vorgesehen.2 Die SO-Bau(Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten) sieht einen baubegleitenden Schlichter vor, der allerdings – anders als der Adjukator keine verbindliche Entscheidung trifft. Die Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SLBau) in der Fassung vom 01.07.2013 enthält die Möglichkeit der Vereinbarung eines Adjudikationsverfahrens.

Der Sinn des Adjudikationsverfahrens besteht darin, einen evtl. Streit während der Abwicklung des Baus mit einer vorläufig bindenden Entscheidung beizulegen. Solche vorläufig bindenden, letztlich von den Gerichten überprüfbaren Entscheidungen, können eine Stagnierung des Baus und eine festgefahrene Auseinandersetzung zwischen den Parteien jedenfalls vorläufig lösen und damit die Durchführung des Bauvorhabens ungehindert fördern. Es ist zu hoffen, dass über diesen Punkt vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ebenfalls noch diskutiert und das im Entwurf nicht vorgesehene Adjudikationsverfahren wieder aufgegriffen wird.

Fazit: Dass das Bauvertragsrecht dringend einer klaren gesetzlichen Vorgabe bedarf, liegt auf der Hand. Der Entwurf sollte jedoch vor Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens dringend weiter mit der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht, sowie Verbänden und Vertretern aus der Praxis, insbesondere auch mit den Richtern des 7. Zivilsenats des BGH, eingehend diskutiert werden. Nur dann kann man sicherstellen, dass in der Praxis häufig vorkommende Zweifel und Probleme bei der endgültigen Fassung des Gesetzes mit bedacht werden.

[1] BGH, Urteil v. 04.07.2002 – VII ZR 502/99 –, BGHZ 151/229; Urteil v. 09.12.2010 – VII ZR 7/10 –, BauR 2011, 677 = NJW 2011, 2125; BGH, Urteil v. 28.07.2011 – VII ZR 207/09 –, BauR 2011, 1809 = NJW-RR 2011, 1526; ähnlich in Bezug auf die Änderung der Rechtsprechung zur Höhe der Vertragsstrafe; Urteil v. 23.01.2003 – VII ZR 210/01 –, BGHZ 153/311 = BauR 2003, 870.

[2] Vgl. Reinelt, das Ständige Münchener Bauschiedsgericht, ZAP 1999, Fach 5, S. 137.