jurisPR-BGHZivilR 22/2014 Anm. 1

Die Überlappung von Sicherungen im Bauvertrag
BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 01.10.2014 - VII ZR 164/12
von Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, RA BGH

Leitsatz
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags enthaltene Vertragsklauseln, wonach Gewährleistungsansprüche bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung des Auftraggebers in Höhe von 7% der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme durch Bürgschaften gesichert sind, benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind daher unwirksam (im Anschluss an BGH, Urt. v. 05.05.2011 - VII ZR 179/10 - BauR 2011, 1324 = NZBau 2011, 410).

A. Problemstellung
Von Überlappung spricht man, wenn sich Gegenstände in bestimmten Bereichen (räumlich oder zeitlich) teilweise überdecken oder überlagern. Die Überlappung von Sicherungen, vor allem im Baurecht, hat die Rechtsprechung schon häufiger beschäftigt. Wann führt eine Überlappung von Sicherungen (Einbehalten und/oder Bürgschaften) im Fall der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Unwirksamkeit der Sicherungsabreden?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Für einen öffentlichen Auftraggeber übernahm eine Bauunternehmung auf der Grundlage eines im Jahre 1997 abgeschlossenen Bauwerkvertrags Bauarbeiten, die unter Vorbehalt von Mängeln im Jahre 1999 abgenommen wurden. Die Auftragnehmerin hatte der Auftraggeberin zunächst eine im Vertrag vorgesehene auf erstes Anfordern erfüllbare Vertragserfüllungsbürgschaft einer Versicherung übergeben. Nach Abnahme übersandte die Auftragnehmerin der Bauherrin zwei (nicht auf erste Anforderung erfüllbare) Gewährleistungsbürgschaften. Erst dann wurde die von der Auftraggeberin gestellte Vertragserfüllungsbürgschaft zurückgegeben. Die Bauherrin nimmt, nachdem Mängel nicht beseitigt worden sind, nach vergeblicher Aufforderung zur Mängelbeseitigung mit Fristsetzung die Bürgin vor Ablauf von Verjährungsfristen aus den Gewährleistungsbürgschaften in Anspruch.

Im Werkvertrag zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin (spätere Streitverkündete) sind die von der öffentlichen Hand verwendeten Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB wie folgt vereinbart:

„6.1. Als Sicherheitsleistung für die Vertragserfüllung nach Nr. 33.1 ZVB/E hat der Auftragnehmer eine Bürgschaft nach dem Formblatt EFB-Sich 1 in Höhe von 5 v.H. der Auftragssumme einschließl. der Nachträge zu stellen.

Leistet der Auftragnehmer die Sicherheit nicht binnen 18 Werktagen nach Vertragsschluss (Zugang des Auftragsschreibens bzw. der Nachtragsvereinbarung), so ist der Auftraggeber berechtigt, die Abschlagszahlungen einzubehalten, bis der Sicherheitsbetrag erreicht ist. Nach Empfang der Schlusszahlung und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche kann der Auftragnehmer verlangen, dass die Bürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß Formblatt EFB-Sich 2 in Höhe von 2 v.H. der Abrechnungssumme umgewandelt wird.

6.2 Als Sicherheit für die Gewährleistung nach Nr. 33.2 ZVB/E werden 2 v.H. der Auftragssumme einschließl. der Nachträge einbehalten, nach Feststellung der Abrechnungssumme ist diese maßgebend. Der Auftragnehmer kann stattdessen eine Gewährleistungsbürgschaft nach dem Format EFB-Sich 2 stellen.

6.4 Für Bürgschaften gilt Nr. 34 ZVB/E.“

Nr. 33.1 der EVM (B) ZVB (im Folgenden: ZVB) lautet:

„Die Sicherheit für Vertragserfüllung erstreckt sich auf die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz, sowie auf die Erstattung von Überzahlung einschließlich der Zinsen.“

In Nr. 34 der ZVB ist Folgendes bestimmt:
„34.3 Die Bürgschaftsurkunden enthalten folgende Erklärungen des Bürgen:
- Der Bürge übernimmt für den Auftragnehmer die selbstschuldnerische Bürgschaft nach deutschem Recht.
- Auf die Einreden der Anfechtung und der Aufrechnung sowie der Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB wird verzichtet.
- Die Bürgschaft ist unbefristet: sie erlischt mit der Rückgabe dieser Bürgschaftsurkunde.
- Gerichtsstand ist der Sitz der zur Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle.
34.4 Bei Bürgschaften für Vertragserfüllung, Abschlagszahlungen oder Vorauszahlungen hat sich der Bürge zu verpflichten, auf erstes Anfordern an den Auftraggeber zu zahlen.

34.6 Die Urkunde über die Vertragserfüllungsbürgschaft wird nach vorbehaltsloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben, wenn der Auftragnehmer
- die Leistung vertragsgemäß erfüllt hat,
- etwaige erhobene Ansprüche (einschließlich Ansprüche Dritter) befriedigt hat und
- eine vereinbarte Sicherheit für Gewährleistung geleistet hat.“

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es ausschließlich um die Ansprüche aus den Gewährleistungsbürgschaften. Im Wege eines Teilurteils hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Der Bürgschaftsklage könne die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegengehalten werden. Denn die in den Zusätzlichen Vertragsbestimmungen enthaltene formularmäßige Bestimmung für die Vertragserfüllungsbürgschaft, wonach der Bürge auf erstes Anfordern an den Auftraggeber zu zahlen habe, sei unwirksam. Dies habe die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede zur Folge mit dem Ergebnis, dass die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung auch gegenüber der Inanspruchnahme aus den Gewährleistungsbürgschaften erhoben werden kann. Außerdem benachteilige die vertragliche Regelung in Bezug auf die Sicherheiten im Werkvertrag den Auftragnehmer unangemessen. Denn der Austausch der 5%igen Vertragserfüllungsbürgschaft gegen eine weniger hohe (2%ige) Gewährleistungsbürgschaft werde von einer vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung abhängig gemacht. Dadurch gerate das gleichwertige Gefüge der beiderseitigen Rechte und Pflichten faktisch aus dem Gleichgewicht. Schließlich könne die Sicherungsabrede keinen Bestand haben, weil der vereinbarte formularmäßige Ausschluss der Einreden der Anfechtung und der Aufrechnung unwirksam sei. Denn er enthält keine Einschränkung hinsichtlich unbestrittener oder rechtskräftig festgestellter Forderungen. Dies allein habe allerdings – so das Berufungsgericht – nicht die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede oder des Bürgschaftsvertrags zur Folge.

Auf Nichtzulassungsbeschwerde der Bauherrin gegen den einstimmigen Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts hat der VII. Senat des BGH die Revision der Klägerin zugelassen. Die zugelassene Revision rügt nach Auffassung des BGH zu Recht: Die formularmäßige Bestimmung in Bezug auf eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erste Anforderung führt im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht zu dem Ergebnis, dass die Klausel wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers nach § 307 Abs. 1 BGB (§ 9 Abs. 1 AGBG) unwirksam sei. Denn für eine Übergangszeit (Verträge bis zum 01.01.2003) sei der Vertrag dahin auszulegen, dass der Auftraggeber eine unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft schuldet. Insoweit hält der BGH für früher abgeschlossene Verträge (anders als für solche ab dem 01.01.2003) eine geltungserhaltende Reduktion für möglich mit der Folge, dass die auf erstes Anfordern erfüllbare Bürgschaft als einfachere Bürgschaft aufrechterhalten werden kann. Das habe das Berufungsgericht übersehen.

Die Sicherungsabrede sei jedoch aus anderen Gründen unwirksam: Sie habe eine Übersicherung des Auftraggebers für Gewährleistungsansprüche zur Folge, die zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers nach § 9 Abs. 1 AGBG führt. Die Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5% sichert nämlich nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch Gewährleistungsansprüche ab, weil sie erst nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung durch den Auftragnehmer zurückgegeben wird. Diese Regelung ermöglicht es dem Auftraggeber, die Vertragserfüllungsbürgschaft noch längere Zeit nach der Abnahme zu behalten, bis der Auftragnehmer die Schlusszahlung vorbehaltslos annimmt. Es kann also zu einer zeitlichen Überlappung beider Bürgschaftskonstruktionen kommen. Auf diese Weise werden jedenfalls auch entstehende Gewährleistungsansprüche über die Vertragserfüllungsbürgschaft mit gesichert, während bereits zusätzlich Einbehalte (die durch Gewährleistungsbürgschaft ablösbar sind) relevant sind. Das Klauselwerk führt damit zu dem Ergebnis, dass eine Überlappung von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft (bzw. Einbehalt) und damit eine Kumulierung der Sicherung für einen unbestimmten Zeitraum im vorliegenden Fall in Höhe von 7% eintreten kann. Denn die 5%ige Vertragserfüllungsbürgschaft bleibt zunächst bis zur vorbehaltslosen Annahme der Schlusszahlung stehen. Mit der Abnahme ist allerdings dann auch die 2%ige Sicherheit für die Gewährleistung nach Nr. 6.2 zu stellen, die durch eine unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft in gleicher Höhe geleistet werden kann. Für einen ungewissen Zeitraum nach Abnahme – nämlich bis der Auftragnehmer die Schlusszahlung akzeptiert – bleiben also sich überlappende Bürgschaften mit einer Gesamtsicherungssumme von 7% bestehen. Das führe – so der BGH – zu einer unangemessen Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB, § 9 AGBG.

C. Kontext der Entscheidung
Zunächst ist bemerkenswert, dass der BGH auch in diesem Fall wieder einmal die Revision in einem Fall zugelassen hat, in dem drei Berufungsrichter übereinstimmend – in Unkenntnis der Rechtsprechung des Bausenats beim BGH – die Berufung für „offensichtlich unbegründet“ gehalten haben. Der Fall verdeutlicht erneut, dass die Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen sogenannte einstimmige Zurückweisungsbeschlüsse nach § 522 Abs. 2 ZPO durch § 522 Abs. 3 ZPO mit Wirkung ab dem 27.10.2011 sinnvoll war. Es mag sein, dass nur ein geringer Teil von Nichtzulassungsbeschwerden gegen einstimmige Zurückweisungsbeschlüsse nach § 522 ZPO Erfolg haben (ca. 4%). Auch im vorliegenden Fall hatte die freilich falsch begründete Berufungsentscheidung im Ergebnis Bestand. Aber die mögliche Korrektur solcher „einstimmigen“ Berufungsentscheidungen durch den BGH vermindert die durch die Beschlüsse ausgelöste Justizverdrossenheit und dient dem Rechtsfrieden (vgl. dazu Reinelt, ZRP 2009, 203 „Die unendliche Geschichte - § 522 Abs. 2 ZPO“ und ZAP Kolumne 2011, S. 707 „Das vorläufige Ende der unendlichen Geschichte“).

Die Zulassung der Revision durch den BGH wurde ersichtlich vor dem Hintergrund ausgesprochen, dass die drei einstimmig entscheidenden Berufungsrichter die etablierte Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit der Stellung von Bürgschaften auf erste Anforderungen nur zum Teil zur Kenntnis genommen haben. Sie sind deshalb fehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen, dass im vorliegenden Fall die Bürgschaft auf der Basis eines bereits 1997 abgeschlossenen Vertrags mit der Regelung auf erste Anforderung zwingend zur Unwirksamkeit führt und eine geltungserhaltende Reduktion ausschließt. Demgegenüber hat die Rechtsprechung die Unwirksamkeit der Bürgschaften auf erste Anforderung ohne Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion erst durch die Urteile vom 18.04.2002 (VII ZR 192/01 - NJW 2002, 2388) und im Urteil vom 04.07.2002 (VII ZR 502/99 - BauR 2002, 1533) statuiert. Der VII. Zivilsenat hat festgehalten: Erst bei Abschluss von entsprechenden Vereinbarungen in Bezug auf Bürgschaften auf erste Anforderung ab 01.01.2003 kann sich der Bürgschaftsgläubiger nicht mehr auf Vertrauensschutz berufen. In früheren Fällen kann er jedoch – mit geltungserhaltender Reduktion – die Bürgschaft als normale Bürgschaft geltend machen (BGH, Urt. v. 09.12.2010 - VII ZR 7/10, und BGH, Urt. v. 28.07.2011 - VII ZR 207/09).

Im vorliegenden Fall war also eine geltungserhaltende Reduktion möglich, mithin auch der Austausch der auf erste Anforderung erfüllbaren Vertragserfüllungsbürgschaft gegen die neuen Bürgschaften. Insoweit hat der einstimmige Beschluss des Berufungsgerichts die schon seit Langem etablierte Rechtslage, die entsprechenden Vertrauensschutz für Altfälle gewährt, gründlich verkannt.

Zu entscheiden war die Frage: Führt die Überlappung der Sicherungen in Höhe von 7% (durch Parallelität von Vertragserfüllungsbürgschaft und Einbehalt bzw. Gewährleistungsbürgschaft) für einen ungewissen Zeitraum nach Abnahme zur Unwirksamkeit der entsprechenden Abrede und damit zur Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung? Noch mit Urteil vom 25.03.2004 (VII ZR 453/02 - BauR 2004, 1143, 1145) hatte der BGH eine solche Überlappung in Bedingungen der öffentlichen Hand in Höhe von insgesamt 6% (gerade noch) akzeptiert. Einer Überlappung von 10% (OLG Celle, Urt. v. 14.06.2012 - IBR 2012, 453) und auch von 8% (LG Wiesbaden, Urt. v. 25.01.2012 - IBR 2012, 392) haben Instanzentscheidungen schon für unwirksam gehalten. Mit der hier besprochenen Entscheidung wollte der BGH eine klare Grenze setzen und das Überfließen eines Fasses verhindern. Überlappungen in dieser Höhe führen zur Unwirksamkeit wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers. Also: 6% gehen gerade noch, 7% Überlappung sind zu viel.

D. Auswirkungen für die Praxis
Dass trotz einer etablierten Rechtsprechung zur Überlappung von Sicherungsmitteln mit bisher nicht immer eindeutigen Grenzen seit Jahren insbesondere auch die öffentliche Hand Klauseln verwendet, die solche Überschneidungen und damit die Unwirksamkeit von Sicherungsmitteln zur Folge haben, ist überraschend. Die Schwierigkeiten resultieren daraus, dass nach den regelmäßig verwendeten Bedingungen der öffentlichen Hand die Vertragserfüllungsbürgschaft nicht bereits mit der Abnahme zurückgegeben wird, sondern erst bei vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung durch den Unternehmer. Damit tritt eine unangemessene Benachteiligung des Unternehmers bei Überschneidung der Bürgschaften ein. Das Überlappungsthema wäre in der Praxis leicht lösbar, wenn die entsprechenden Bedingungen eine zeitweise doppelte Deckung ausschließen würden. Das könnte geschehen beispielsweise durch eine Formulierung, die zu einer klaren Abgrenzung von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft und zu einer nahtlosen Abfolge der verschiedenen Sicherungsmittel führt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung eine 10%ige Vertragserfüllungsbürgschaft noch als unproblematisch ansieht (BGH, Urt. v. 20.03.2014 - VII ZR 248/13). Eine unangemessene Benachteiligung kann aber nach der gleichen Entscheidung vorliegen, wenn über den Zeitraum der Abnahme hinaus diese Sicherung gilt und Mängelansprüche in Höhe von 10% gesichert werden (so schon BGH, Urt. v. 05.05.2011 - VII ZR 179/10 - BauR 2011, 1324 Rn. 26 ff.).

Das Dilemma der Überlappung von Bürgschaften (teilweise Parallelität von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft) lässt sich im Grunde ganz einfach durch eine Regelung lösen, die überraschend in der Praxis kaum verwendet wird. Man kann nämlich eine (allerdings nicht auf erste Anforderung) erfüllbare Vertragserfüllungsbürgschaft über 10% stellen, die zwingend mit Abnahme erlischt oder sich in eine reduzierte Gewährleistungsbürgschaft verwandelt. Nach Abnahme ist dann entweder eine neue Gewährleistungsbürgschaft in reduzierter Höhe (Sicherungsbetrag von bis zu 5%) zu stellen oder die bisherige Bürgschaft als Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5% weiter gültig. Die letzte Lösung würde auch den oft in der Praxis komplizierten Austausch der Bürgschaften erübrigen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Die Entscheidung enthält zwei weitere interessante Aspekte, die für die Praxis von Bedeutung sind.

Die erste Frage: Der BGH lässt in seiner Entscheidung die Frage offen, ob der formularmäßige Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Aufrechenbarkeit deshalb zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führt, weil der Einredeausschluss keine Einschränkung in Bezug auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen umfasst (so OLG Jena, Beschl. v. 17.11.2009 - 4 W 485/09 - MDR 2010, 259; OLG Frankfurt, Urt. v. 27.09.2012 - 5 U 7/12 - NJW-Spezial 2012, 686, a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2010 - 9 W 65/10 - BauR 2011, 1007 Rn. 5; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.05.2008 - 22 U 113/07 - NZBau 2008, 767, 768). Nach meiner Auffassung dürfte hier der Auffassung den Vorzug zu geben sein, die nicht zu einer Unwirksamkeit kommt. Der bloße Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit, der nicht gleichzeitig den Verzicht auf die sonstigen Einreden aus § 768 BGB umfasst (vgl. zu letzterem Fall BGH, Urt. v. 16.01.2003 - IX ZR 171/00 - NJW 2003, 1521) führt nach meiner Auffassung nicht zur Unwirksamkeit der Abrede. Zumindest lassen die Segelhinweise einer anderen Entscheidung des VII. Zivilsenats erahnen, dass er dieser Auffassung den Vorzug geben könnte (BGH, Urt. v. 11.05.2006 - VII ZR 146/04 - BauR 2006, 1294, 1296).

Zum zweiten Problemkreis: Während die Rechtsprechung bei Begründung der Unwirksamkeit von Bürgschaften auf erste Anforderung (erstmals durch die zitierte Entscheidung vom 04.07.2002 - VII ZR 502/99) eine rückwirkende Geltung aus Gründen des Vertrauensschutzes (für Fälle vor dem 01.01.2003) ausgeschlossen hat, wird zur Überlappungsrechtsprechung in der Entscheidung von der Möglichkeit, die Überlappungsklauseln für eine Übergangszeit für wirksam zu halten, nicht Gebrauch gemacht.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Unwirksamkeit von Klauseln, die zu einer Kumulierung von Sicherungsmaßnahmen führen und damit auch den Überlappungsfall betreffen, soweit ersichtlich erst durch Urteile ab 2010 entwickelt (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.2010 - VII ZR 7/10 - BauR 2011, 677). Die Unwirksamkeit der Kumulation von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft haben Instanzentscheidungen ebenfalls erst in späteren Jahren diskutiert (vgl. die bereits erwähnten Entscheidungen LG Wiesbaden, Urt. v. 25.01.2012, und OLG Celle, Urt. v. 14.06.2012). Deshalb bestand und besteht durchaus Anlass, bei Überdeckung von Bürgschaften und der Kumulation von Sicherungen in gleicher Weise wie bei der Bürgschaft auf erste Anforderung für frühere Fälle über grundsätzlichen Vertrauensschutz nachzudenken.

Der VII. Zivilsenat legt in der besprochenen Entscheidung jedoch dar: Allein der Umstand, dass über die Wirksamkeit einer solchen Klausel noch keine Entscheidung ergangen ist, kann keinen Vertrauenstatbestand begründen. Das überrascht etwas, war es doch bei der neuen Rechtsprechung zur Bürgschaft auf erste Anforderung (und im Übrigen auch bei der Änderung der Rechtsprechung zur Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft und dem dort begründeten Vertrauensschutz auch nicht anders (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.2001 - II ZR 331/00 - NJW 2001, 1056; BGH, Urt. v. 07.04.2003 - II ZR 56/02 - NJW 2003, 1803; Reinelt, jurisPR-BGHZivilR 3/2009 Anm. 1, und Reinelt, jurisPR-BGHZivilR 32/2007 Anm. 2; vgl. zur ähnlichen Situation bei Änderung der Rechtsprechung zur Vertragsstrafe, Vertrauensschutz für die Vergangenheit, BGH, Urt. v. 23.01.2003 - VII ZR 210/01 - NJW 2003, 1805). Eine klare dogmatische Struktur des Vertrauensschutzes (wann gilt eine solche neue Rechtsprechung rückwirkend, wann erst ab Bekanntwerden der Entscheidung?), gibt es deshalb nach wie vor nicht. Nachdem die Zivilgerichte in verschiedenen höchstrichterlichen Entscheidungen die Tradition des BVerfG fortsetzen, bei der Wirkung getroffener Entscheidung in Bezug auf dort angesprochenen rechtlichen Lösungen zu differenzieren für die Zeit vor und nach der Entscheidung, wäre die Entwicklung einer (immer noch fehlenden) klaren Dogmatik zum Vertrauensschutz bei gravierenden rückwirkenden Eingriffen dringend geboten.