ZAP Kolumne 2013, Seite 227

ZAP Kolumne

Das Ende des Münchner Modells
Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Das von Münchner Bauträgern entwickelte sogenannte „Münchner Modell", das im Laufe der Zeit flächendeckend in der Bundesrepublik verbreitet angewendet wurde, diente der Aushebelung des Kündigungsschutzes bei Erwerb und Verwertung eines zu sanierenden Objekts. § 577a BGB sieht eine Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung vor. Nach dieser Vorschrift gilt: Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, kann sich der Erwerber auf berechtigte Interessen für die Eigenbedarfskündigung erst nach Ablauf von drei oder zehn Jahren (je nach Struktur der Wohnverhältnisse in den verschiedenen Gemeinden) berufen.

Diese Regelung haben findige Bauträger durch das „Münchner Modell" ausgehebelt. Wie hat das „Münchner Modell" funktioniert? Der Umgehungstrick vollzieht sich in folgenden Schritten: Der Bauträger schließt mit geworbenen Interessenten, die eine Wohnung erwerben wollen, einen BGB-Gesellschaftsvertrag. In diesem wird eine jeweils nach Aufteilung zu schaffende, ggf. zu sanierende Wohnung dem einzelnen Erwerber schuldrechtlich zugewiesen. Nach Eintragung der BGB-Gesellschaft als Eigentümerin des Objekts im Grundbuch kündigt diese dem Mieter der Wohnung und beruft sich auf den Eigenbedarf des Erwerbsinteressenten. Nach der Kündigung wandelt die Gesellschaft das Objekt in Wohnungseigentum um. Der neue Gesellschafter wird als Wohnungseigentümer der aus Eigenbedarf bereits gekündigten Wohnung im Grundbuch eingetragen.

Der BGH hat das unbeanstandet gelassen. Die häufig bei den Instanzgerichten erfolgreiche Kündigungsschutzklage des Mieters wird im Ergebnis nach der Rechtsprechung des BGH mit der Begründung abgewiesen, die eng auszulegende Vorschrift des §577a BGB greife nicht ein. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei die Umwandlung in Wohnungseigentum noch nicht erfolgt.

Offenbar hat der BGH in diesen Fällen lediglich nach dem zeitlichen Ablauf von Kündigung, Umwandlung und Grundbucheintragung und nicht nach dem Sinn der Mieterschutzvorschriften entschieden. Eine analoge Anwendung des § 577a BGB, wie die Instanzgerichte sie zum Schutz der Mieter bejaht haben, hat der BGH mit dem überraschenden Hinweis darauf abgelehnt, es fehle an einer entsprechenden Regelungslücke (Urt. v. 16. 7. 2009 —VIII ZR 231/08, NJW-2009, 2738, m. kritischer Anm. GRUNEWALD NJW 2009, 3486; vgl. hierzu auch REINELT jurisPR-BGHZiviIR 18/2009, Anm. 2; BRUNS ZMR 2012, 933).
Diese Rechtsprechung des für Wohnraummietrecht zuständigen Senats des Bundesgerichtshofs, die den Mieterschutz im Zusammenhang mit Eigenbedarfskündigungen bei professionell gestrickten Bauträgermodellen übergeht, hat schließlich den Gesetzgeber auf den Plan gerufen. Dieser hat im Gegensatz zum BGH die Gesetzeslücke erkannt. Die Begründung zum Gesetzesentwurf des Bundesrates (Drucks. 313/12) spricht ausdrücklich von der vom BGH verkannten Schutzlücke: Das Schutzinteresse der Mieter ist— so der Gesetzesentwurf in der Begründung — in den genannten Fällen nämlich mit der in § 577a BGB geregelten Situation vergleichbar. Die Begründung führt dazu aus: Das Verdrängungsrisiko für den Mieter wird durch die Veräußerung an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft nach dem Konzept des Münchener Modells in gleicher Weise erhöht wie bei einer unmittelbaren Umwandlung in Wohnungseigentum.

Konsequent hat der Gesetzgeber jetzt im Mietrechtsänderungsgestz, das am 1. 2. 2013 den Bundesrat passiert hat (BR-Drucks. 10/13), die bisher bestehende Gesetzeslücke bei Umwandlung vermieteter Wohnungen in Wohnungseigentum nach dem „Münchner Modell" endgültig ausgehebelt. § 577a BGB wird durch einen Absatz 1a wie folgt ergänzt:

„Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnung nach der Überlassung an den Mieter
1. an eine Personengesellschaft oder mehrere Erwerber veräußert worden ist oder
2. zugunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird.
Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist."

Damit ist der unter dem Stichwort „Münchner Modell" entwickelte und vom BGH unbeanstandete Bauträgertrick, der einfach durch Umkehrung der Reihenfolge Kündigung, Umwandlung, Grundbucheintragung einen probaten Weg zur Aushebelung des Mieterschutzes bei Eigenbedarfskündigungen ermöglicht hatte, endgültig vom Tisch.