jurisPR-BGHZivilR 15/2014 Anm. 2

Darlegung von Mängeln bei Lieferung und Installation von Software und Abnahme bei Leasingfinanzierung

BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 05.06.2014 - VII ZR 276/13
Dr. Barbara Genius, Rechtsanwältin beim Bundesgerichtshof

Leitsatz
Zur Darlegung von Mängeln eines Werks, das die Lieferung und Installation von Software zum Gegenstand hat.

A. Problemstellung
Welche Anforderungen sind an die Darlegung von Mängeln nach Abnahme bei einem Werk, das die Lieferung und Installation von Software zum Gegenstand hat, zu stellen? Welche Wirkung hat bei einer Leasingfinanzierung die von dem Leasingnehmer gegenüber dem Leasinggeber abgegebene Übernahmeerklärung in Bezug auf den Werkvertrag?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, die mit Möbeln und Möbelzubehör handelt und ihre Waren auch über verschiedene Online-Shops anbietet, war mit der Beklagten, einem EDV-Handels- und Softwareentwicklungsunternehmen mit Spezialisierung auf den Einbau und die kundenspezifische Anpassung eines bestimmten Warenwirtschaftssystems, übereingekommen, dieses System bei der Klägerin zu installieren und einzurichten, insbesondere eine Anbindung der Software an genutzte Online-Shops herbeizuführen.

Zur Finanzierung des Vertrages bediente sich die Klägerin eines Leasingunternehmens, das Vertragspartner der Beklagten wurde, die Leistungen der Beklagten der Klägerin überließ und – später – alle Rechte aus dem Vertrag auf die Klägerin übertrug.

Die Beklagte lieferte die Software an die Klägerin und stellte am selben Tag die Rechnung an die Leasinggeberin; unter demselben Datum teilte die Klägerin der Leasinggeberin mit, sie habe die Leistungen der Beklagten „fabrikneu, vollständig, ordnungsgemäß, funktionsfähig und der Beschreibung im Vertrag gemäß, sowie … allen getroffenen Vereinbarungen entsprechend übernommen“. Zu diesem Zeitpunkt war – den Parteien bekannt – die von der Beklagten gelieferte Software nicht bzw. nicht vollständig funktionstüchtig.

In der Folgezeit stritten die Parteien darüber, ob die Beklagte ihren Pflichten vollständig nachgekommen war, insbesondere die Schnittstellen zu den Online-Portalen funktionierten. Die Klägerin erklärte den Rücktritt vom Vertrag.

Ihre auf Rückabwicklung gerichtete Klage blieb in zwei Instanzen erfolglos. Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hatte einen Anspruch aus den §§ 634 Nr. 3, 323, 346 BGB mit der Begründung scheitern lassen, die Klägerin sei unter Berücksichtigung ihrer uneingeschränkten Übernahmebestätigung gegenüber der Leasinggeberin ihrer Darlegungslast hinsichtlich eines Mangels der von der Beklagten gelieferten Software nicht nachgekommen.

Dieser Auffassung ist der BGH entgegengetreten und hat entschieden, dass die Klägerin einen Mangel schlüssig dargelegt habe. Zur Feststellung der weiteren Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Rückabwicklungsanspruchs hat er die Sache – gemäß § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wovon in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht wird – an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

C. Kontext der Entscheidung
Der VII. Zivilsenat bestätigt eingangs die Einordnung des Vertrages mit der Beklagten als Werkvertrag. Dies steht im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung, IT-Verträge zu den Vertragstypen des Bürgerlichen Rechts zuzuordnen, wobei maßgebliche Grundlage der von den Parteien vereinbarte Vertragszweck ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 04.03.2010 - III ZR 79/09 - BGHZ 184, 345 Rn. 16 ff.). Verträge über die Lieferung bereits hergestellter Standardsoftware sind Kaufverträge (BGH, Urt. v. 04.11.1987 - VIII ZR 314/86 - BGHZ 102, 135 Rn. 13 ff.), Verträge über erst noch herzustellende Individualsoftware sind regelmäßig Werkverträge (BGH, Urt. v. 03.11.1992 - X ZR 83/90 - NJW 1993, 1063 Rn. 14). Wird ein Standardprogramm den individuellen (betrieblichen) Bedürfnissen des Anwenders angepasst, unterliegt der Vertrag ebenfalls dem Werkvertragsrecht (BGH, Urt. v. 25.03.2010 - VII ZR 224/08 - NJW 2010, 2200 Rn. 14). Im Fall verweist der Senat auf sein vorzitiertes Urteil und bestätigt die werkvertragliche Einordnung, da Gegenstand des Vertrages die Anpassung der Software der Beklagten an die Bedürfnisse der Klägerin und die Schaffung von Schnittstellen zu den Online-Shops gewesen sei. Damit habe die Beklagte die Herbeiführung des vertraglich vereinbarten – keineswegs untergeordneten, sondern eine mehrmonatige Tätigkeit erfordernden (Rn. 14) – Erfolges als Ergebnis einer individuellen Tätigkeit für die Klägerin geschuldet (Rn. 13).

Konsequenz der Einordnung als Werkvertrag sind u.a. die Verpflichtung des Bestellers zur Abnahme des Werkes und die daran geknüpften Rechtsfolgen für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen. In dieser Hinsicht waren dem Berufungsgericht unter dem Eindruck der Übernahmebestätigung der Klägerin gegenüber der Leasinggeberin Fehler zum einen hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung eines Mangels nach Abnahme (1) zum anderen hinsichtlich der Voraussetzungen einer Abnahme des Werks (2) unterlaufen. Im Einzelnen:

1. Durch die Abnahme konkretisiert sich die Leistungsverpflichtung des Unternehmers auf das hergestellte Werk. Der Erfüllungsanspruch des Bestellers besteht nicht mehr schlechthin, sondern geht dahin, dass der Unternehmer Mängel des abgenommenen konkreten Werkes abzustellen hat. Dem Besteller stehen nur noch die Gewährleistungsrechte aus den §§ 633 bis 635 BGB zu (BGH, Urt. v. 25.02.2010 - VII ZR 64/09 - BauR 2010, 795 Rn. 28), wobei er den Mangel, d.h. die Abweichung von der Sollbeschaffenheit, darzulegen und zu beweisen hat. Der Senat stellt in der Besprechungsentscheidung klar, dass für die Darlegung der Abweichung auch bei einem Werk, das die Lieferung und Installation von Software zum Gegenstand hat, seine im Bauprozess entwickelte sog. Symptomrechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 09.10.2008 - VII ZR 80/07 - BauR 2009, 99 Rn. 19) gilt. Dem ist zuzustimmen. Auch im Bereich der Softwareentwicklung kann der Besteller zunächst nur die Mangelerscheinungen zuverlässig kennen und beobachten. Außerdem würde sich bei einer anderen Handhabung das Risiko einer unzureichenden Erfassung der Mängel auf den Besteller verlagern, obwohl Kenntnis, Beurteilung und Beseitigung von Mängeln des Werks nach dem vertraglichen Pflichtenkreis sowie nach Informationsstand und Fachkenntnissen vorrangig Sache des Unternehmers sind. Der Besteller genügt daher seiner Darlegungslast, wenn er die Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Unternehmers zuordnet, genau bezeichnet. Zu den Ursachen der Mangelerscheinung muss der Besteller nicht vortragen. Ob die Ursachen der Mangelerscheinung tatsächlich in einer vertragswidrigen Beschaffenheit der Leistung des Unternehmers zu suchen sind, ist Gegenstand des Beweises und nicht des Sachvortrags (Rn. 16 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 17.01.2002 - VII ZR 488/00 - BauR 2002, 784 Rn. 11). Diese Grundsätze hatte das Berufungsgericht in seiner Entscheidung verkannt und die Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels nach Abnahme des Werks überspannt. Der Vortrag der Klägerin, das System sei wegen der nicht hergestellten bzw. nicht funktionierenden Schnittstellen zu den Online-Portalen durchgehend nicht funktionsfähig gewesen, enthielt – so der Senat – eine zur Darlegung des Mangels ausreichend genaue Bezeichnung der Mangelerscheinungen. Die zusätzlichen, offenbar unter dem Eindruck der Übernahmebestätigung an die Leasinggeberin aufgestellten Anforderungen an eine Darlegung, was Inhalt des ursprünglichen Vertrages gewesen sei, qualifiziert der Senat als nicht nachvollziehbar, die Vermutungen über die Richtigkeit des klägerischen Vortrags zu Eingriffen in das installierte System als nicht mehr die Ebene der Darlegung, sondern des Beweises zugehörig; beides war daher zum schlüssigen Vortrag des Mangels nicht zu verlangen (Rn. 17, 18). Die Abweisung der auf Rückabwicklung gerichteten Klage wegen fehlender Darlegung eines Mangels konnte somit keinen Bestand behalten.

2. Die weitere Kritik des BGH gilt der Annahme des Berufungsgerichts, in der vorbehaltlosen Zahlung der Rechnung in Verbindung mit der Übernahmeerklärung der Klägerin gegenüber dem Leasingunternehmen sei eine werkvertragliche Abnahme der Software zu sehen. Auch dieser Auffassung tritt der Senat zu Recht entgegen: Bei der Übernahmebestätigung des Leasingnehmers handelt es sich um ein gängiges Instrument der Leasingpraxis, welches dazu dient, im Rahmen der bestehenden Dreiecksbeziehung die regelmäßig ohne Beteiligung des Leasinggebers erfolgende unmittelbare Übergabe des Leasinggegenstandes vom Lieferanten an den Leasingnehmer gegenüber dem Leasinggeber zu dokumentieren und den Leasinggeber zur Invollzugsetzung des Leasingvertrages durch Zahlung des Kaufpreises an den Lieferanten zu veranlassen (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2010 - VIII ZR 122/08 - WM 2010, 1283 Rn. 16). Sie ist mit einer Abnahme des Werks nicht gleichzusetzen. Die werkvertragliche Abnahme erfolgt durch körperliche Hinnahme des Werks und seiner Billigung als im Wesentlichen werkvertragsgerecht erbrachte Leistung. Die Billigung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (Rn. 21, 22). Erforderlich für die Annahme einer konkludenten Abnahme ist ein tatsächliches Verhalten des Bestellers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen im obigen Sinne dem Unternehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen, wobei sich dies grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 20.02.2014 - VII ZR 26/12 - BauR 2014, 1023 Rn. 15, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten, dies zeigt die Senatsentscheidung, uneingeschränkt auch bei einer Leasingfinanzierung des Werkvertrages. Ist – wie im Fall – das Werk nicht bzw. nicht vollständig funktionstüchtig, weil Teile erst noch funktionsfähig hergestellt werden mussten, ist für die Annahme einer konkludenten Abnahme grundsätzlich kein Raum. Denn der Unternehmer kann in diesem Fall nicht davon ausgehen, dass in einem Verhalten der Leasingvertragsparteien – hier vorbehaltlose Zahlung in Verbindung mit der Abgabe der leasingtypischen Übernahmeerklärung – eine Billigung seines Werkes als im Wesentlichen vertragsgerecht zu sehen war (Rn. 22). Ebenso kann dahinstehen, ob der Besteller als Leasingnehmer mit der uneingeschränkten Übernahmeerklärung gegen seine Pflichten aus dem Leasingvertrag verstoßen hat. Denn auch dies betrifft den Leasing- und nicht den Werkvertrag, also ein anderes Vertragsverhältnis, und wäre mithin für die Frage, ob die werkvertragliche Abnahme konkludent erklärt wurde, bedeutungslos (Rn. 23).

D. Auswirkungen für die Praxis
Die Besprechungsentscheidung bestätigt die Zuordnung von Softwareentwicklungsverträgen zum Werkvertragsrecht. Für die Darlegung eines Mangels genügt auch bei einem Werk, das die Lieferung und Installation von Software zum Gegenstand hat, wenn der Besteller die Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Unternehmers zuordnet, genau bezeichnet (sog. Symptomrechtsprechung). Die Abnahme des Werks richtet sich auch bei einer Leasingfinanzierung nach den allgemeinen Grundsätzen des Werkvertragsrechts; die Abgabe der leasingtypischen Übernahmeerklärung ist mit einer werkvertraglichen Abnahme nicht gleichzusetzen.