jurisPR-BGHZivilR 47/2007 Anm. 2

Folgen des Verstoßes einer Architekten-Honorarvereinbarung gegen die Höchstvergütung nach HOAI
Anm. zu BGH, Urteil vom 11.10.2007 - VII ZR 25/06
Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Leitsatz

Eine schriftliche Honorarvereinbarung, die die Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) überschreitet, ist nicht insgesamt nichtig. Sie ist insoweit aufrechtzuerhalten, als die nach der HOAI zulässige Höchstvergütung nicht überschritten wird (in Anschluss an BGH, Urt. v. 09.11.1989 - VII ZR 252/88 - BauR 1990, 239 = ZfBR 1990, 72).

Orientierungssatz des Autors

Wenn eine - wegen Überschreitung der Höchstsätze der HOAI unwirksame - Honorarvereinbarung Anhaltspunkte dafür enthält, dass die Parteien die obere Grenze der zulässigen Vergütung festlegen wollen, bleiben die Höchstsätze der zulässigen Honorarzone maßgebend.

A. Problemstellung
Die HOAI enthält zwar keine Handlungspflichten und vertraglich zu Grunde zu legende Leistungsbilder für die Tätigkeit des Architekten, führt jedoch mit ihren preisrechtlichen Vorschriften zu erheblichen Eingriffen in die Freiheit der Vertragspartner in Bezug auf die Bestimmung der vom Auftraggeber geschuldeten Gegenleistung. Nur innerhalb der von der HOAI aufgestellten Grenzen können die Parteien Vereinbarungen schließen (§§ 4, 4a HOAI). Dabei müssen die Mindest- und Höchstgrenzen der HOAI (Honorartafeln, vgl. etwa §§ 16, 17 HOAI) eingehalten werden.

Architektenverträge sind Werkverträge im Sinne der §§ 631 ff. BGB, für die grundsätzlich keine besondere Form eingehalten werden muss. Die mündliche Beauftragung genügt (Münchner Prozessformularbuch, Privates Baurecht, Koeble/Kniffka Anm. A I 5 Nr. 3). Allerdings sieht die HOAI vor, dass Honorarvereinbarungen stets der Schriftform bedürfen (§ 4 Abs. 1 HOAI, § 126 BGB). Dabei genügen wechselseitige Bestätigungsschreiben nicht (BGH, Urt. v. 28.10.1993 - VII ZR 192/92 - BauR 1994, 131). Im Übrigen kann eine wirksame Honorarvereinbarung nur bei Auftragserteilung geschlossen werden (BGH, Urt. v. 25.09.1986 - VII ZR 324/85 - BauR 1987, 112; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.07.1988 - 22 U 109/88 - BauR 1988, 766; OLG Stuttgart, Urt. v. 02.11.1994 - 4 U 152/94 - BauR 1995, 414). Später (während der Tätigkeit des Architekten und vor deren Beendigung) abgeschlossene schriftliche Honorarvereinbarungen verstoßen gegen die HOAI.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Architekt verklagt den Bauherrn auf Zahlung restlichen Architektenhonorars. Der Bauherr macht widerklagend eine Überzahlung geltend. Der Architektenvertrag legte fest, dass die Abrechnung für insgesamt sechs Gebäude nach dem Mittelsatz der Honorarzone IV, für Freianlagen nach dem Höchstsatz der Honorarzone III erfolgen müssen (S. 1 Ziff. 3 und 4 HOAI). Entsprechend dieser vertraglichen Vereinbarung rechnet der Architekt ab. Seiner Klage hält der Bauherr entgegen: Für die Abrechnung der Gebäude sei von den Mindestsätzen der Honorarzone III statt von den Mittelsätzen der Honorarzone IV auszugehen.

Es stellte sich heraus, dass die Gebäude nicht der Honorarzone IV, sondern nur derjenigen der Honorarzone III zuzuordnen sind. Die Zugrundelegung der Honorarzone IV bei den geplanten Gebäuden führte also zur Überschreitung der Höchstsätze der HOAI, ohne dass die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zulässigen Überschreitung nach § 4 Abs. 3 HOAI vorliegen (zulässige Überschreitung bei außergewöhnlichen Leistungen).

Das Landgericht sprach dem klagenden Architekten den Höchstsatz der angemessenen Honorarzone (hier: III) zu. Im Übrigen verstoße die Honorarvereinbarung gegen die HOAI und sei deshalb unwirksam. Der Bauherr legte Berufung ein. Er verlangt Rückzahlung angeblich überzahlten Architektenhonorars und berief sich auf die Mindestsätze der Honorarzone III. Der klagende Architekt macht mit einer Anschlussberufung weitere Zahlungen geltend.

Das Berufungsgericht hat – eine Sachverständigenbegutachtung zu Grunde legend – den Architekten das Honorar nur nach dem Mittelsatz der Honorarzone III zugesprochen und den darüber hinaus von der I. Instanz zugesprochenen Betrag aberkannt.

Der VII. Zivilsenat des BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit zu Lasten der Architekten erkannt wurde. Er verweist den Rechtstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück.

Er wendet sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die unwirksame vertragliche Honorarzonenvereinbarung könne nicht zur Folge haben, eine Vereinbarung über das Honorar in der angemessenen Honorarzone zum Höchstsatz anzunehmen. Zwar führe unstreitig die im Vertrag getroffene Honorarvereinbarung zu einer Überschreitung des nach der HOAI zulässigen Höchstsatzes. Das verstoße auch gegen das zwingende öffentliche Preisrecht des § 4 Abs. 2 HOAI und damit gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB. Aber das führe keineswegs zwingend dazu, dass die Vereinbarung über eine Vergütung an der Obergrenze ohne Bedeutung sei.

Der BGH zitiert seine Entscheidungen vom 16.12.2004 (VII ZR 16/03 - BauR 2005, 735) und vom 13.09.2001 (VII ZR 380/00 - BauR 2001, 1926). In der ersten Entscheidung hatte er ausgeführt: Die HOAI regele den preisrechtlichen Rahmen, in dem Honorarvereinbarungen zulässig sind. Die Mindestsätze der HOAI dürften nach § 4 Abs. 2 HOAI nur in Ausnahmefällen durch schriftliche Vereinbarung (die vor Vertragsabschluss zu treffen ist) unterschritten werden. Eine Überschreitung der Höchstsätze sei nach § 4 Abs. 3 HOAI nur bei außergewöhnlichen oder ungewöhnlich lange dauernden Leistungen zulässig.

Verstößt eine Vereinbarung gegen die Höchst- oder Mindestsätze und damit gegen das gesetzliche Verbot des § 134 BGB, hat das allerdings nicht die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zur Folge. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH führt ein solcher Verstoß grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der ganzen Preisabrede, sondern nur zu deren Teilnichtigkeit (vgl. § 134 2. Halbsatz BGB). Die Nichtigkeit könne nicht weiter reichen als die tatbestandliche Erfüllung des Verbotsgesetzes. Was das Gesetz also nicht verbietet, ist rechtmäßig. Daraus folgert der BGH: Der unter Berücksichtigung der Vorschriften der HOAI zulässige Preis beim Falle einer Überschreitung der Höchstsätze durch Anwendung überhöhter Honorarzonen sei nicht – wie das Berufungsgericht meint – nach angemessenen Vergütungssätzen und auch nicht – wie die Revisionserwiderung der beklagten Bauherrschaft meint – nach den Mindestsätzen der zutreffenden Honorarzone zu bilden, sondern nach den Höchstsätzen der zutreffenden Honorarzone. Wenn eine schriftliche Honorarvereinbarung vorliegt, die kraft Gesetzes auf das preisrechtlich zulässige Maß reduziert wird, sei zwar von der zutreffenden Honorarzone auszugehen. Maßgeblich sei aber im Ergebnis die zwischen den Parteien vereinbarte obere Grenze. Wird also der Honorarabrechnung eine zu hohe Honorarzone zu Grunde gelegt – wie es hier der Sachverständige festgestellt hat – sei dem Zweck des Verbotsgesetzes Genüge getan, wenn das Honorar mit dem Höchstsatz der zutreffenden Honorarzone (im entschiedenen Fall: Honorarzone III) berechnet und damit der preisrechtlich noch zulässige Rahmen eingehalten wird.

Wenn also die Parteien im Vertrag den Mittelsatz einer zu hohen Honorarzone vereinbart haben, die Honorarzone dann aber nach sachverständiger Beurteilung auf eine geringere Stufe zu reduzieren ist, bleibe es gleichwohl bei der Vergütung nach dem Höchstsatz der dann zulässigen Honorarzone.

Die Entscheidung ist im Ergebnis keine Überraschung: Bereits in seinem Urteil vom 09.11.1989 (VII ZR 252/88 - BauR 1990, 239) hatte der BGH in einem vergleichbaren Fall (den allerdings das Berufungsgericht offenbar überraschend nicht als vergleichbar gewertet zu haben scheint) bei einer unwirksamen Pauschalhonorarvereinbarung ausgeführt, dass bei Überschreitung der Höchstsätze die Vereinbarung nicht insgesamt nichtig ist, sondern der Architekt in einem solchen Fall (nicht nur die Mindestsätze oder Mittelsätze, sondern) die Höchstsätze verlangen kann.

C. Kontext der Entscheidung
Rechtstreitigkeiten um Grund und Höhe von Architektenhonoraren sind in der Praxis häufig. Für die Wirksamkeit der entsprechenden Honorarvereinbarung sind die Vorschriften der HOAI sorgfältig zu prüfen. Insbesondere besteht die Gefahr der Über- oder Unterschreitung der zwingenden Preisvorschriften der HOAI häufig bei Architektenverträgen mit Pauschalhonorar. Solche Vereinbarungen können wegen Änderung der anrechenbaren Kosten (§ 10 Abs. 2 HOAI) beispielsweise im Laufe des Planungs- und Herstellungsprozesses unwirksam werden, wenn sich herausstellt, dass die Vergütung unterhalb des Mindestsatzes oder oberhalb des Höchstsatzes liegt. Will sich etwa der Auftraggeber gegen einen Anspruch auf Klage eines Architekten aus einer Pauschalhonorarvereinbarung wehren, kann er einwenden, der Höchstsatz sei überschritten. Das erfordert die Angabe der konkreten anrechenbaren Kosten, nachvollziehbare Ausführungen zur Honorarzone und Angabe des nach HOAI zutreffenden Höchstsatzes. Insoweit ist bei einer auf eine Pauschalvereinbarung gestützten Honorarklage des Architekten zunächst der Auftraggeber in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig für die Überschreitung des Höchstsatzes (vgl. Koeble, BauR 1997, 191). Es wird allerdings auch die Auffassung vertreten, dass der Architekt seinerseits, wenn er aus einer Pauschalhonorarvereinbarung klagt, den zutreffenden Mindest- und Höchstsatz darlegen muss. Die h.M. geht demgegenüber davon aus, dass es in einem solchen Fall genügt, sich zunächst auf die Pauschalhonorarvereinbarung zu stützen (so OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.02.1993 - 22 U 235/92 - BauR 1993, 630, Koeble, BauR 1997, 191; Koeble/Kniffka, Privates Baurecht, Münchner Prozessformularbuch, Anm. A I 4 Anm. 4). Man wird nicht verlangen können, dass der Architekt in jedem Fall schon vorsorglich die Mindest- und Höchstsätze der HOAI für die Schlüssigkeit seiner Klage vorträgt. Vielmehr dürfte es genügen, sich zunächst auf die Pauschalvereinbarung zu stützen und sich auf die HOAI-Sätze erst dann zu beziehen, wenn sich im Verfahren Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung herausstellt.

Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt die HOAI im Übrigen nicht den Inhalt der Handlungsverpflichtungen des Architekten. Dieser schuldet ja nicht Tätigkeiten, sondern einen Erfolg im Rahmen des von ihm abgeschlossenen Werkvertrages (Wirth/Theis, Architekt und Bauherr, S. 97, m.w.N.). Die HOAI ihrerseits ist ausschließlich als preisrechtliches Gefüge von Gebührentatbeständen zu verstehen, nicht als normatives Leitbild für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen (BGH, Urt. v. 19.12.1996 - VII ZR 233/95 - BauR 1997, 488; BGH, Urt. v. 22.10.1998 - VII ZR 91/97 - BauR 1999, 187; BGH, Urt. v. 24.10.1996 - VII ZR 283/95 - BauR 1997, 154; Reinelt/Frikell, Münchener Vertragshandbuch, Band 5, Bürgerliches Recht, 5. Aufl., III 18, Anm. 2, m.w.N.).

Ob sich allerdings das Preisrecht der HOAI als europarechtskonform darstellt, ist offen (kritisch Quack, ZfBR 2003, 419, Besprechung der Entscheidung des BGH, Urt. v. 27.02.2003 - VII ZR 169/02 - ZfBR 2003, 367). Der BGH hat diese Frage in dieser Entscheidung dahinstehen lassen. Es handle sich um eine bisher ungeklärte Frage der Auslegung der Dienstleistungsfreiheit, die gegebenenfalls dem EuGH nach Art. 234 EG vorzulegen sei. Denn nach der Rechtsprechung des EUGH sind nationale Regelungen, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zur Folge haben, nur dann gerechtfertigt, wenn die mit der nationalen Regelung verfolgten Ziele schützenswerte Allgemeininteressen im Sinne des EG-Rechts sind (Art. 49 f. EG). Die Frage ist bislang durch den EuGH nicht geklärt.

D. Auswirkungen für die Praxis
Nachdem der BGH mit seiner hier besprochenen Entscheidung deutlich gemacht hat, dass die sich aus Überschreitung der HOAI ergebende Unwirksamkeit nur auf die die HOAI überschreitenden Vergütungsteile bezogen werden kann, können die Parteien durch Eingruppierung in eine zu hohe Honorarzone oder durch Festlegung der Höchstsätze in der Vereinbarung einen Rest ihrer Vertragsabschlussfreiheit retten. Der zum Ausdruck kommende Wille der Parteien, an der oberen zulässigen Grenze abzurechnen, bleibt im Rahmen des rechtlich Zulässigen beachtlich. Es liegt daher im Interesse des Architekten und seines ihn beratenden Anwalts, das Begehren nach der Obergrenze in geeigneter Weise im Vertrag festzuschreiben.

Generell ist bei der Gestaltung von Architektenverträgen darauf zu achten, dass die schriftliche Vereinbarung möglichst genau bereits bei Vertragsschluss Details der Abrechnung klärt. Gelegentlich lassen sich allerdings findige Architekten bewusst aus Gründen der Akquisition auf für den Bauherrn günstige (unter den Mindestsätzen der HOAI berechnete) Pauschalvereinbarungen ein, mit dem Hintergedanken, später unter Berufung auf die zwingenden Preisvorschriften der HOAI ein höheres Honorar (dann allerdings nur nach den Mindestsätzen der zutreffenden Honorarzone, vgl. § 4 Abs. IV HOAI) durchsetzen zu können. Dieser Versuch kann zwar nach § 242 BGB zum Scheitern verurteilt sein. Allerdings ist die Rechtsprechung mit der Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben in diesem Zusammenhang recht zurückhaltend (BGH, Urt. v. 22.05.1997 - VII ZR 290/95 - NJW 1997, 2329; BGH, Urt. v. 10.11.2005 - VII ZR 238/04, m. Anm. Bormann, IBR 2006, 35; OLG Koblenz, Urt. v. 07.09.2004 - 3 U 1235/02 - BauR 2006, 551).