jurisPR-BGHZivilR 35/2007 Anm. 4

Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten bei Wiedereinsetzung
Anm. zu BGH, Beschluss vom 17.07.2007 - VIII ZB 107/06
Dr. Ekkehart Reinelt, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Orientierungssatz des Autors

Für den Erfolg eines Wiedereinsetzungsgesuchs dürfen die Anforderungen an die Verantwortlichkeit des Anwalts nicht überspannt werden.

A. Problemstellung
Es gibt wenige Rechtsgebiete, auf denen sich eine solche Unzahl von Entscheidungen und Veröffentlichungen findet, wie das bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO) der Fall ist. Die juris-Recherche weist bei Wiedereinsetzung knapp 9.000 Entscheidungen aus, davon rund 3.800 BGH-Entscheidungen. Wiedereinsetzung spielt also in der Praxis eine außerordentlich wichtige Rolle.

Die Wiedereinsetzung ist das wichtigste Mittel der Prozessordnung, die Folgen eines Versäumnisses einer Frist unmittelbar zu beseitigen. Sie erfolgt durch Beschluss eines Gerichts. Durch diesen wird eine Partei, die eine Frist versäumt hat, so behandelt, als sei die Frist nicht versäumt worden. Es gibt sie nur bei Versäumung von Notfristen und anderen in § 233 ZPO ausdrücklich genannten Fristen, z.B. bei Berufungs- oder Revisionsfristen oder deren Begründungen.

Auch die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 2 ZPO selbst kann Gegenstand einer Wiedereinsetzung sein. Dagegen ist Wiedereinsetzung nicht möglich bei der Versäumung von Ausschluss- und Klagefristen oder beispielsweise – in der Praxis wichtig – bei der Versäumung von Vergleichswiderrufsfristen (BGH, Urt. v. 15.11.1973 - VII ZR 56/73 - NJW 1974, 107; BGH, Urt. v. 16.11.1979 - I ZR 3/78 - NJW 1980, 1752).

Der Grundgedanke der Wiedereinsetzung beruht darauf, dass den Parteien nicht durch Ablauf gesetzlicher Fristen ein unwiederbringlicher Nachteil entstehen soll, wenn die Versäumung unverschuldet ist. Der Erfolg eines Wiedereinsetzungsgesuchs hängt davon ab, ob den Anwalt als Vertreter der Partei ein Verschulden trifft. Dieses Verschulden wird der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet. Liegt die Verantwortung dagegen bei sorgfältig ausgebildetem und ausgewähltem Personal des Anwalts, ist Wiedereinsetzung möglich. Dies wiederum gilt aber nicht, wenn der Fehler an mangelhafter Organisation des Büros liegt. Für solche Organisationsmängel muss der Anwalt – und damit im Ergebnis die Partei – einstehen (BGH, Beschl. v. 21.06.1988 - VI ZB 14/88 - NJW 1988, 2804).

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Anwalt der Klagepartei legte gegen ein erstinstanzliches Urteil fristgerecht Berufung ein. Das Berufungsgericht verlängerte antragsgemäß die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 05.10.2006. Mit Schriftsatz vom 05.10.2006 beantragte der Prozessbevollmächtigte eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.10.2006.

Das Verlängerungsgesuch war fälschlich an das erstinstanzliche Gericht adressiert. Es ging dort per Fax am Tag des Ablaufs der Frist am 05.10.2006 ein. Der Einzelrichter des Landgerichts leitete das Verlängerungsgesuch nach Fristablauf am 06.10.2006 an das zuständige Berufungsgericht weiter.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag der Klagepartei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil hat es wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Gegen diesen Verwerfungsbeschluss hat der Klägervertreter Rechtsbeschwerde eingelegt.

Der BGH bejaht die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Gründen, aus denen die Anwendung des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bejaht wird, findet sich nicht.

Zu Grunde lag folgender Sachverhalt, der von der Klagepartei glaubhaft gemacht worden war:

Kurz nach Unterzeichnung des Fristverlängerungsantrags vom 05.10.2006 habe der Klägervertreter festgestellt, dass dieser Antrag fälschlich an die erste Instanz adressiert war. Er hat die Rechtsanwaltsfachangestellte, die für diese Adressierung verantwortlich war, daraufhin gebeten, den Schriftsatz zu schreddern und einen entsprechenden Verlängerungsantrag an das zuständige Oberlandesgericht zu richten. Dem sei die Angestellte auch nachgekommen. Sie habe den neuen, an das Oberlandesgericht adressierten Schriftsatz erstellt und dem Rechtsanwalt zur Unterschrift vorgelegt. Dieser hat den zutreffend adressierten Verlängerungsantrag unterschrieben. Entgegen seiner Weisung hat die Rechtsanwaltsfachangestellte jedoch versehentlich den neu unterschriebenen, an das Berufungsgericht gerichteten Verlängerungsantrag geschreddert und stattdessen den früher unterzeichneten Schriftsatz fälschlich an das erstinstanzliche Gericht auslaufen lassen.

Während das Berufungsgericht die Auffassung vertrat, der Anwalt habe den an das Landgericht adressierten Schriftsatz, nachdem er ihn zunächst unterschrieben hatte, persönlich vernichten oder zumindest im Adressfeld das unzuständige Gericht durchstreichen und das zuständige Gericht kennzeichnen müssen, beurteilt der BGH eine solche Sichtweise als Überspannung der Anforderung an die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts. Anders als das Berufungsgericht geht der BGH davon aus, dass ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten, das der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen wäre, nicht vorliegt. Das Gericht ist der Auffassung, man könne vom Rechtsanwalt nicht mehr verlangen, als die Rechtsanwaltsfachangestellte auf den fehlerhaft adressierten Schriftsatz mit dem Verlängerungsantrag hinzuweisen, den neuen richtigen Schriftsatz zu unterschreiben und ihr aufzutragen, diesen Schriftsatz an das Berufungsgericht zu schicken und den anderen, fälschlich an das erstinstanzliche Gericht adressierten zu vernichten. Dieser Vorgang habe einfache Aufgaben zum Gegenstand, bei denen der Rechtsanwalt darauf vertrauen dürfe, dass ein ansonsten zuverlässig arbeitender Angestellter sie richtig erledigt.

In diesem Zusammenhang verweist der VIII. Senat auf seine Beschlüsse vom 04.11.1981 (VIII ZB 59/81 und VIII ZB 60/81 - NJW 1982, 2670). Danach müsse der Anwalt bei ordnungsgemäß ausgebildeten und zuverlässig arbeitenden Mitarbeitern die ordnungsgemäße Ausführung einfacher Arbeiten nicht persönlich überwachen.

C. Kontext der Entscheidung
Es gibt bis heute eine große Anzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen, die – der strengen Rechtsprechung des BGH zur Anwaltshaftung folgend – Wiedereinsetzungsanträgen den Erfolg versagen.

Keine Wiedereinsetzung gibt es beispielsweise, wenn nicht durch ausreichende Organisation sichergestellt ist, dass die Kontrolle der Faxnummer des Gerichts auf Richtigkeit überprüft wird und dies durch entsprechende allgemeine Büroanweisung zur Verpflichtung der zuständigen Anwaltsgehilfin gemacht wird (BGH, Beschl. v. 10.05.2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412).

Anwaltliches Organisationsverschulden schließt die Wiedereinsetzung aus, wenn nicht nur eine bestimmte qualifizierte Fachkraft der Anwaltskanzlei für die Fristennotierung im Kalender und die Fristenüberwachung (jedenfalls zu einem bestimmt definierten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums) verantwortlich ist, sondern es vielmehr möglich ist, dass – zur gleichen Zeit – mehrere Büroangestellte zuständig sind (BGH, Beschl. v. 06.02.2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520; BGH, Beschl. v. 17.01.2007 - XII ZB 166/05 - NJW 2007, 1453).

In letzter Zeit scheint sich beim BGH allerdings eine Tendenz zur großzügigeren Handhabung von Wiedereinsetzungsgesuchen bei Fristversäumnissen durch Fehler von Anwaltskanzleien abzuzeichnen. So wird unter Betonung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes in mehreren neuen Entscheidungen – so auch in der hier zu besprechenden – die Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten nicht mehr ganz so strikt gesehen. Es genügt zur Überprüfung möglicher Eingabefehler, die gewählte Empfängernummer mit der übertragenen Nummer abzugleichen; die Faxnummer muss vom Anwalt nicht selber überprüft werden; er kann dies der gut ausgebildeten Anwaltsgehilfin überlassen (BGH, Beschl. v. 13.02.2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690).

Geht ein Antrag auf Grund eines Büroversehens zu spät hinaus, ist Wiedereinsetzung möglich, ebenso wenn der Antrag durch Veranlassung der Post länger gedauert hat (BGH, Beschl. v. 18.02.1998 - VIII ZB 1/98 - NJW-RR 1998, 932; BGH, Beschl. v. 11.02.1998 - XII ZB 184/97- NJW-RR 1998, 787; BAG, Urt. v. 08.06.1994 - 10 AZR 452/93 - NJW 1995, 548).

Für die Möglichkeit der Gewährung einer Fristverlängerung ist nur der rechtzeitige Eingang des Antrags erforderlich, jedenfalls wenn es um die erste Fristverlängerung geht (BGH, Beschl. v. 18.03.1982 - GSZ 1/81 - NJW 1982, 1651). Dabei muss allerdings ein anerkannter Fristverlängerungsgrund vorgetragen werden (beispielsweise Arbeitsbelastung des Anwalts). Nähere Ausführungen hierzu hält das BVerfG jedoch nicht für erforderlich (BVerfG, Beschl. v. 24.04.1998 - 1 BvR 587/88 - NJW 1998, 3704, 3705).

Allerdings: Ein Rechtsanwalt darf nach gefestigter Rechtsprechung des BGH regelmäßig erwarten, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er einen erheblichen Grund (Arbeitsüberlastung etc.) vorträgt. Er braucht sich beim Gericht nicht zu erkundigen, ob diesem Verlängerungsantrag stattgegeben wurde. Das hat der VI. Senat mit Hinweis auf seine frühere Auffassung kürzlich bestätigt (BGH, Beschl. v. 13.12.2005 - VI ZB 52/05 - VersR 2006, 568, unter Hinweis auf BGH, Beschl. v. 18.09.2001 - VI ZB 26/01 - VersR 2001, 1579).

Dass die Anforderungen an den Anwalt im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht überspannt werden dürfen, hat auch der V. Zivilsenat entschieden (BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 44/03 - NJW-RR 2004, 785). Auf der Linie dieser anwaltsfreundlicheren Rechtsprechung liegt auch die neue Entscheidung des VIII. Senats.

Dagegen hat der XI. Zivilsenat des BGH eine Wiedereinsetzung abgelehnt, weil ein Berufungsfristverlängerungsantrag am Tag des Fristablaufs nicht rechtzeitig bei Gericht eingegangen war. Der Anwalt sei verpflichtet gewesen, die Faxübermittlung anhand des ausgedruckten Sendeberichts zu überprüfen. Die bloße telefonische Rückfrage bei seiner Anwaltsgehilfin mit der Frage, ob der Fristverlängerungsantrag vorab per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt worden sei, reiche nicht (BGH, Beschl. v. 30.01.2007 - XI ZB 5/06 - FamRZ 2007, 720).

Der II. Zivilsenat hat kürzlich zutreffend festgehalten, dass der Rechtsanwalt durch seine Büroorganisation dafür Sorge zu tragen habe, dass Fristen erst dann im Fristenbuch als erledigt gekennzeichnet werden, wenn der fristgebundene Schriftsatz zumindest postfertig gemacht ist. Eine verlängerte Frist dürfe nicht schon mit der Einreichung des Fristverlängerungsantrags, sondern erst nach dessen Bewilligung im Fristenkalender gelöscht werden (BGH, Beschl. v. 26.06.2006 - II ZB 26/05 - NJW-RR 2006, 1649; ähnlich auch BGH, Beschl. v. 20.06.2006 - VI ZB 14/06 - BRAK-Mitt 2006, 273).

Andererseits hat der II. Zivilsenat wiederum Wiedereinsetzung in einem Fall gewährt, bei dem während eines Zeitraums von fünf Arbeitstagen versäumt worden war, den versehentlich bei dem Landgericht eingereichten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist an das zuständige Oberlandesgericht weiterzuleiten (BGH, Beschl. v. 03.07.2006 - II ZB 24/05 - NJW 2006, 3499).

Auf der Linie dieser großzügigen Handhabung der zuletzt genannten Entscheidung liegt auch der hier besprochene Beschluss.

D. Auswirkungen für die Praxis
Auch wenn im vorliegenden Fall Wiedereinsetzung gewährt wurde und möglicherweise die Rechtsprechung des BGH insgesamt in anwaltsfreundlichere Richtung tendiert, handelt es sich beim Problem der Fristversäumung um ein schwieriges und haftungsträchtiges Thema. Der Versäumung von Fristen muss der Anwalt durch entsprechende Organisationsmittel in seiner Kanzlei unbedingt entgegenwirken. Für eine erfolgreiche Wiedereinsetzung ist nicht nur der Antrag auf Wiedereinsetzung selber zu stellen (§ 233 ZPO), und zwar innerhalb eines zweiwöchigen Fristablaufs nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO), sondern es müssen die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen auch glaubhaft gemacht werden (§ 236 ZPO). Wie Glaubhaftmachung erfolgen kann, ergibt sich aus § 294 ZPO (eidesstattliche Versicherung). Was nicht glaubhaft gemacht werden muss, sind ausschließlich Umstände, die in der Sphäre der Behörde selber liegen (BVerfG, Beschl. v. 14.02.1995 - 2 BvR 1950/94 - NJW 1995, 2545).

Zusammen mit Glaubhaftmachung und Antrag auf Wiedereinsetzung muss insbesondere innerhalb der Antragsfrist die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden, also etwa die verspätete Berufungsbegründung erneut eingereicht werden (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Ein häufiger Fehler bei Wiedereinsetzungsanträgen besteht darin, nicht deutlich zu machen, dass die Wiedereinsetzung innerhalb der zweiwöchigen Frist beantragt wird, dass also die Behebung des Hindernisses nicht länger als 14 Tage zurückliegt. Hierauf müssen sich Darlegung und Glaubhaftmachung im Antrag erstrecken.

Für den Erfolg eines Wiedereinsetzungsgesuches ist erforderlich, dass der Anwalt darlegt und glaubhaft macht, dass nicht er persönlich, sondern allenfalls sein gut ausgebildetes und überwachtes Personal einem Versehen unterlegen ist. Der Wiedereinsetzungsantrag muss zur Überzeugung des Gerichts die Darlegung und Glaubhaftmachung dafür enthalten, dass der Anwalt selber im Rahmen der Fristkontrolle alle Grundsätze beachtet hat, die die Rechtsprechung insoweit stellt. Dies erfordert auch eine Auseinandersetzung mit der notwendigen Büroorganisation innerhalb des Wiedereinsetzungsgesuchs. Fehlerquellen müssen beim Eintragen und Behandeln von Fristen möglichst ausgeschlossen sein (BGH, Beschl. v. 21.06.1988 - VI ZB 14/88 - NJW 1988, 2804).

Es hat in der Rechtsprechung des BGH den Anschein, dass die grundsätzlich streng angewendete Zulassungsvoraussetzung des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Beschwerdeverfahren, in denen es um Wiedereinsetzungsgesuche bei Fristversäumungen durch Anwaltskanzleien geht, neuerdings großzügiger gehandhabt wird. Das ist in der Sache auch gerechtfertigt. Denn trotz zahlreicher Entscheidungen zu Wiedereinsetzungsgesuchen dieser Art ist eine klare Richtung der teilweise strengen, teilweise anwaltsfreundlicheren Rechtsprechung bislang kaum auszumachen. Das wird deutlich, wenn man neuere Entscheidungen, in denen Wiedereinsetzung zugelassen wird, mit solchen vergleicht, in denen sie versagt wurde:

Großzügige Handhabung der Wiedereinsetzung:

• zulässige Übertragung der Fristkontrollen im Falle einer nicht schweren Erkrankung auf einen Stationsreferendar (BGH, Beschl. v. 20.12.2005 - VI ZB 13/05 - NJW 2006, 1070);

• Wiedereinsetzung zulässig, wenn einer mit dem Schreibprogramm vertrauten Schreibkraft beim Zusammenfügen des in mehreren Teilen diktierten und in mehreren gesonderten Textdokumenten abgespeicherten Berufungsbegründungsschriftsatzes Bedienungsfehler unterlaufen, die erst nach Fristablauf festgestellt und behoben werden können (BGH, Beschl. v. 13.02.2007 - VIII ZB 40/06).
Ablehnung des Wiedereinsetzungsgesuchs:

• mündliche Einzelanweisung über die Eintragung einer wichtigen Frist, die in Vergessenheit gerät, reicht nicht; Organisationsmangel bejaht (BGH, Beschl. v. 21.12.2006 - IX ZB 309/04 - AnwBl 2007, 236);

• Verschulden bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist infolge vorhersehbarer Erkrankung des Verfahrensbevollmächtigten, ohne dass ein Vertreter bestellt wurde (BGH, Beschl. v. 10.05.2006 - XII ZB 145/05);

• telefonische Rückfrage des Anwalts bei seiner Mitarbeiterin mit der Frage, ob Fristverlängerungsantrag per Telefax an das Gericht übermittelt worden sei, reicht ohne eigene Überprüfung der Faxübermittlung nicht aus (vgl. BGH v. 30.01.2007 - XI ZB 5/06 - FamRZ 2007, 720; von der Wertung schwer in Übereinstimmung zu bringen mit dem Beschluss des BGH vom 20.12.2005 - VI ZB 13/05 - NJW 2006, 1070).

Angesichts kontroverser Entscheidungen zum Erfolg von Wiedereinsetzungsgesuchen ist eine großzügige Zulassung von Rechtsbeschwerden nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch den BGH zu begrüßen.

Die neue Entscheidung stellt sich auch inhaltlich gegen übertriebene Anforderungen an die eigene Sorgfaltspflicht eines Anwalts.

„Nullum vitium est sine patrocinio“: „Kein Fehler ohne Verteidiger“ oder „Für jeden Fehler findet sich jemand, der ihn verteidigt!“

Der VIII. Zivilsenat macht sich im Sinne dieser Erkenntnis von Seneca zum Fürsprecher des Anwalts. In der Sache hat der BGH dementsprechend im vorliegenden Fall überzeugend ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten verneint. Man darf die Anforderungen an das, was der Anwalt innerhalb seines Büros persönlich zu erledigen hat, nicht überspannen.

Die Rechtsprechung zur Haftung des Anwalts ist ohnehin sehr streng. Es gibt eine schon lang geführte Kontroverse zwischen Richtern einerseits und Anwälten andererseits, ob die Haftung des Anwalts adäquat in der Rechtsprechung behandelt wird oder ob es sich um ein überspanntes Haftungsrisiko handelt (vgl. einerseits die Position der Anwälte Slobodnjuk, NJW 2006, 113 und andererseits für die Richter Fahrendorf, NJW 2006, 1911).

Dass der BGH im Falle der missglückten Adressierung des Verlängerungsgesuchs an das falsche Gericht auf Grund eines Fehlers der Mitarbeiterin ein eigenes Verschulden des Anwalts verneint und die Wiedereinsetzung zugelassen hat, deutet in die Richtung einer großzügigeren, aber auch richtigen Behandlung von Wiedereinsetzungsanträgen.

Eine ausgewogene und realistische Beurteilung der Arbeitsteilung innerhalb eines gut organisierten Büros darf in der Tat dem Anwalt nicht persönlich abverlangen, einen falsch adressierten Schriftsatz selber zu vernichten.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Offen bleibt in der Entscheidung allerdings: Es ging im vorliegenden Fall nicht um die erste, sondern um eine zweite Fristverlängerung. Dass und warum der Anwalt auf die zweite Fristverlängerung und deren Bewilligung vor Ablauf der bereits verlängerten Frist vertrauen durfte, wird in der BGH-Entscheidung nicht behandelt. Bei mehrfacher Fristverlängerung ist grundsätzlich höchste Vorsicht geboten. In solchen Fällen hat der BGH bereits entschieden, dass der Anwalt sich ohne vorherige Rückfrage beim Vorsitzenden Richter auf Bewilligung von Verlängerungen nicht verlassen kann (BGH, Beschl. v. 12.11.1997 - XII ZB 129/97 - VersR 1998, 737; BGH, Beschl. v. 04.03.2004 - IX ZB 121/03 - NJW 2004, 1742).

Warum in der hier besprochenen Entscheidung des BGH vom 17.07.2007 die Frage der zweiten Fristverlängerung nicht weiter thematisiert wird, lässt sich nicht ausmachen. Möglicherweise hatte der gegnerische Anwalt einer weiteren Fristverlängerung zugestimmt.